Berlin. Die “No Covid“-Initiative hat ein neues Strategiepapier veröffentlicht. Mit diesem Weg soll Deutschland raus aus dem harten Lockdown.

In einem neuen Strategiepapier fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der sogenannten "No Covid"-Initiative ein Ende des "Fahrens auf Sicht" in der Pandemiebekämpfung und legen einen überarbeiteten Plan vor, mit dem das Coronavirus eingedämmt werden soll.

Im Kern geht es den Forschern darum, die 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner) zunächst in einigen Gebiete auf einen Wert von maximal 10 zu bringen: Diese "Grünen Zonen" sollten dann "weitgehend zu einer Normalität zurückkehren", heißt es in dem Papier. Das Prinzip dahinter: Bürgerinnen und Bürger sollen motiviert werden, die Zahl der Neuinfektionen in ihrer Region einzugrenzen.

Corona: "No Covid"-Initiative setzt auf "Grüne Zonen"

Das Team um die Virologin Melanie Brinkmann, ifo-Präsident Clemens Fuest und weiteren Expertinnen und Experten schlägt in dem Papier drei "Phasen des Pandemiemanagments für 2021" vor.

  • Den Lockdown intelligent beenden (Bis eine Inzidenz von 10 erreicht ist. Perspektive: Neuinfektionen und Todeszahlen sinken, positiver Wettbewerb zwischen Regionen. Ein Ende der Einschränkungen scheint möglich)
  • Eintritt in die Phase der Grünen Zonen (Inzidenz kleiner oder gleich 10. Perspektive: Erste Öffnungen sind möglich, ohne das Ziel der Risikoinzidenz von null zu gefährden. Ein Ende der Einschränkungen ist in Sicht)
  • Grüne Zonen schützen und ausdehnen (Risikoinzidenz = 0: 2 Wochen keine Infektionen unbekannten Ursprungs. Perspektive: Weitgehende und dauerhafte Öffnung. Verbleibende Maßnahmen: Einschränkungen der Mobilität mit Roten Zonen. Monitoring und Früherkennung von Ausbrüche)

Als regionale Einheiten für die Zonen bieten sich laut den Autorinnen und Autoren zum Beispiel Städte oder Landkreise an, heißt es weiter. Während das Reisen zwischen "Grünen Zonen" problemlos erlaubt sein soll, wollen die "No Covid"-Initiatoren den Reiseverkehr zwischen "Grünen Zonen" und "Roten Zonen" auf wichtige Fahrten beschränken. "Dabei sollten alle Arbeitgeber umfassende Test- und Schutzkonzepte für den ggf. weiterhin notwendigen Pendlerverkehr ihrer Arbeitnehmer*innen umsetzen", fordern die Wissenschaftler.

Dieses Konzept wollen die Forscherinnen und Forscher auf ganz Europa übertragen. "Der europäische Kontinent ist nicht nur politisch, sozial und ökonomisch eng verflochten – Europa ist auch ein epidemiologischer Raum", betonen sie in dem Papier. Entsprechend schwierig sei es für einzelne Länder, die Pandemie im Alleingang effektiv zu kontrollieren. Daher sei eine Zusammenarbeit umso wichtiger.

Vorschläge beruhen auf international erfolgreichen Maßnahmen

Ein weiteres zentrales Element der Strategie fassen die Forscher unter dem Begriff Test-Trace-Isolate (TTI) zusammen. Hierbei geht es darum, "die Weiterverbreitung des Virus durch zielgenaues Erkennen und Isolieren von Virusträgern und deren Kontakten zu unterbinden".

Der "No Covid"-Initiative gehören insgesamt 14 Wissenschaftler an. Die Vorschläge beruhen laut den Forscherinnen und Forschern auf den international erfolgreichsten Corona-Maßnahmen.

Virologin Brinkmann warnt vor übereilten Lockerungen

Die Virologin Melanie Brinkmann vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum hatte vergangene Woche bereits im "Spiegel" vor einer Lockerung der Corona-Maßnahmen gewarnt. Die Hoffnung, man könne "mit einer Inzidenz von knapp unter 50 Maßnahmen lockern und dabei das Virus im Zaum halten“, sei "fatal“, sagte sie dem Magazin. Die Zahlen würden sofort wieder steigen.“ Das wiederum werde zu ständig neuen Lockdowns noch "bis ins Jahr 2022 hinein“ führen, warnte die Expertin.

Brinkmann verwies auf die Kombination aus langwieriger Impfkampagne und mutierten Varianten des Coronavirus. "Bis September ist vielleicht die Hälfte der Bevölkerung geimpft, wenn alles top läuft", sagte sie. Ohne harten Lockdown werde das unweigerlich dazu führen, dass sich die neuen, ansteckenderen Mutanten vorher durchsetzen. "Wir kriegen niemals genügend Menschen geimpft, bevor die Mutanten durchschlagen", sagte die Virologin. "Dieser Wettlauf ist längst verloren."

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Corona-Maßnahmen: Bund und Länder beraten

Die derzeitigen Corona-Beschränkungen gelten noch bis 14. Februar. Bund und Länder besprechen am heutigen Mittwoch das weitere Vorgehen.

Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat sich vor den Bund-Länder-Beratungen gegen bundesweite Lockerungen ausgesprochen. „Ich warne davor, gleich auf Bundesebene eine Öffnung oder Lockerung ins Auge zu fassen“, sagte Montgomery der „Passauer Neuen Presse“ (Online/Samstag).

„Klug wäre es, gemäß einem hoffentlich inzwischen vorliegenden Plan lokal und regional ab Unterschreiten der magischen Inzidenzgrenze von 50 Lockerungen vorzunehmen. Das hieße, dass man sich in einer Stadt oder einem Landkreis, in dem die Inzidenz schon bei 25 liegt, freier bewegen können sollte als in anderen mit höchsten Infektionsraten.“

Aus Sicht von Montgomery wäre es rein medizinisch am klügsten, zu warten, bis die Sieben-Tages-Inzidenzen überall bei unter 10 lägen. (mit dpa)

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