Wien. Zu viele Kontakte, zu viele Partys: In Österreich wütet die Corona-Pandemie. Kanzler Sebastian Kurz zieht eine drastische Notbremse.

Abgesagte Operationen, belegte Intensivbetten und gemessen an der Einwohnerzahl die höchste Rate an Neuinfektionen weltweit – Österreich hat die Corona-Pandemie extrem hart getroffen. Nun zieht die Regierung in Wien die Konsequenz: Zweieinhalb Wochen lang will Kanzler Sebastian Kurz das öffentliche Leben stillstehen lassen – falls die Zahlen bis dahin nicht nach unten gehen, auch länger.

Bei seinem Appell an die Bevölkerung griff er zu drastischen Worten: „Treffen Sie niemanden!“ Jeder soziale Kontakt sei einer zu viel.

Vorbild für den Lockdown ist Tschechien: Wie bereits im Frühjahr liegt Österreich in der Pandemie-Entwicklung zwei Wochen hinter dem Nachbarland. Tschechien musste wegen einer galoppierenden Ausbreitung bereits vor Wochen harte Maßnahmen einführen. Mittlerweile sinken die Zahlen wieder. Wien hofft nun auf die gleiche Entwicklung in Österreich. Mehr zum Thema: Corona: So schlimm wütet die Pandemie in Osteuropa

Österreich plant Massentests wie in der Slowakei

Neben strengen Kontaktbeschränkungen und geschlossenen Geschäften setzt Österreichs Regierung aber auch auf den Schnelltest : Das kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Sonntag in einem Interview des Senders ORF an.

Er berief sich auf die Erfahrungen der Slowakei , wo an zwei Wochenenden ein Großteil der 5,5 Millionen Einwohner getestet und Zehntausende Corona-Infizierte in Quarantäne geschickt wurden.

Will das öffentliche Leben stilllegen, um die Zahl der Corona-Neuinfektionen zu senken: Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz.
Will das öffentliche Leben stilllegen, um die Zahl der Corona-Neuinfektionen zu senken: Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz. © imago images / photonews.at

„Das ist ein absolutes Erfolgsbeispiel, und wir haben uns entschieden, hier in Österreich einen ähnlichen Schritt zu machen“, sagte Kurz. „Wir werden einerseits diese Massentests in gewissen Gruppen, zum Beispiel bei Lehrerinnen und Lehrern, aber auch bei anderen Gruppen nutzen, um mit dem 7. (Dezember) möglichst sicher wieder aufsperren zu können“, sagte Kurz. Lesen Sie auch: Corona-Gipfel in Deutschland - Das sind die Pläne von Bundeskanzlerin Merkel

Vor Weihnachten sollen die Massentests wiederholt werden. Schnelltests seien mittlerweile in millionenfacher Stückzahl am Markt verfügbar.

Wien: Volle Einkaufsstraßen vor dem Lockdown

Der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober erklärte, die zweite Welle sei „gewaltiger und dynamischer als die erste Welle im Frühling“. Er warnte: „Wenn wir jetzt nicht handeln“, werde es zu einer Triage in den Krankenhäusern kommen, einem System, bei dem Ärzte entscheiden, welche Notfallpatienten zuerst behandelt werden und wem nicht mehr zu helfen ist.

Ziel sei, dass mehr Menschen von den Intensivstationen entlassen werden als aufgenommen, sagte Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen. Der Reproduktionsfaktor – die Anzahl der Menschen, die durch eine Person infiziert werden – müsse unter eins sinken. Erst wenn beides erreicht sei, würden die Maßnahmen wieder gelockert.

Trotz der mahnenden Worte nutzten viele Österreicher die letzte Gelegenheit, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen, bevor die Geschäfte schließen. Brechend voll war etwa am Samstag die Wiener Einkaufsmeile Mariahilfer Straße.

Denn wie bereits während des Lockdowns im Frühjahr dürfen sich nun die Österreicher nur noch aus vier Gründen nach draußen bewegen: um zu arbeiten, um Hilfsbedürftige zu versorgen, um einzukaufen und um allein Sport zu treiben. Erlaubt ist es auch, zum Arzt zu gehen.

Österreich verhängt Corona-Lockdown im November

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    Österreicher machen die Schulen dicht

    Treffen soll man sich nur noch mit „einzelnen wichtigen Bezugspersonen“ und mit jenen, mit denen man zusammenlebt. Geschäfte müssen schließen. Nur Lebensmittelläden, Apotheken, Tankstellen, Banken, Post sowie Fahrrad- und Kfz-Werkstätten bleiben geöffnet. Veranstaltungen sind verboten, Sportanlagen werden geschlossen. Die Gastronomie bleibt geschlossen, Schulen wechseln auf Fernunterricht.

    Der Widerstand gegen den Lockdown – insbesondere gegen den Fernunterricht – ist groß. Die Oppositionsparteien sind geschlossen dagegen. Deshalb ist auch der Unwille in der Bevölkerung viel größer als noch im Frühjahr, durchzuhalten und mitzumachen.

    Außerdem funktioniert das Epidemiologische Meldesystem (EMS) teilweise nicht mehr, und das Contact-Tracing ist seit Wochen kaum möglich, weil die Infektionszahlen so rasch steigen.