Hamburg. Friedenforscherin Ursula Schröder lobt Scholz für seine behutsame Kommunikation zur Ukraine. Die “Zeitenwende“ müsse er aber erklären.

Ursula Schröder ist eine der renommiertesten Friedensforscherinnen in Deutschland – und sie glaubt nicht, dass der Krieg in der Ukraine bald vorbei ist, im Gegenteil: „Nur 20 Prozent aller Kriege enden mit dem direkten Sieg einer der beiden Parteien, alle anderen enden entweder über Verhandlungen oder gar nicht“, sagt die Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, die in dieser Folge des „Scholz-Updates“ zu Gast ist. „Das letzte Szenario scheint mir auch für den Krieg in der Ukraine nicht unwahrscheinlich. Er könnte sich in einen Konflikt transformieren, der immer weitergeht, mit mehr oder weniger großen Intensität an einer ewig langen Konfliktlinie zwischen der Ukraine und Russland.“

Cover_Scholz-Update (002).jpg

Zur Kommunikation der Bundesregierung in Kriegszeiten sagt Schröder: „Man muss sehr stark darauf achten, dass einem keine kommunikativen Fehler passieren, dass nicht plötzlich eine unbedachte Äußerung herausrutscht. Politische Kommunikation zu Kriegszeiten hat mehrere Öffentlichkeiten, die man berücksichtigen muss, das macht sie so kompliziert. Scholz spricht nicht nur zu seinen Bürgern, sondern auch zur russischen und europäischen Öffentlichkeit." Und manchmal könne es wirklich besser sein, nichts zu sagen: „Es gibt durchaus Bereiche in der Außenpolitik, in denen es um Geheimnisse geht, und die kann man dann auch nicht ausbreiten. Manchmal sind keine öffentlichen Informationen und Mediendebatten besser.“

Ursula Schröder: Russland analysiert das Aggressionspotenzial von Scholz

Sie halte die vorsichtige Kommunikation des Bundeskanzlers in Richtung Russland für richtig, „zu signalisieren, dass Deutschland keine aggressiven Absichten gegenüber Russland hat und auch in Zukunft nicht haben wird. Das immer wieder zu wiederholen, halte ich für eine grundrichtige Verhaltensweise.“ Man müsse sich bewusst machen, dass die Gegenseite sehr genau analysieren würde, welches Aggressionspotenzial hinter bestimmten Begriffen und Äußerungen steckt: „Beide Seiten müssen gut verstehen, was die jeweils andere Seite sagt, damit es nicht durch kommunikative Missverständnisse zu einer Eskalation des Krieges kommt.“

Gleichzeitig müsse der Kanzler gut erklären, was das Ziel seiner Zeitenwende-Politik sei: „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Ursula Schröder. „Es ist bisher nicht klar geworden, was die politische Vision ist, die hinter der Zeitenwende steht.“ Die Diskussion sei ihr zu kleinteilig, die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht darauf zu erfahren, wie die Bundesregierung mit den vielfältigen, miteinander verflochtenen Krisen unserer Zeit umgehen möchte: „Wo ist denn die große Transformation, die Olaf Scholz angekündigt hat?“ Wir hätten eine Zeit vor uns, in der wir lernen müssten, sowohl mit Unsicherheit als mit Ungewissheit umzugehen, so die Wissenschaftlerin. „Eine solche Dichte an Krisen und Katastrophen, wie wir sie gerade erleben, gab es in den vergangenen 80 Jahren nicht. Die große Frage ist, wie man den Bürgern erklärt, was der Plan der Regierung dafür ist. Und dabei können wir leider nicht mehr in die Vergangenh eit gucken, um zu verstehen, wie es weitergeht.“

podcast-image

Der Scholz Podcast – alle Folgen