Die Bündnisoption mit der Union nützt Grünen und FDP vor allem als Druckmittel. Es geht um Macht und Taktik, nicht um die Realität.

Eine Woche ist eine lange Zeit, vor allem, wenn es die Woche nach der Bundestagswahl ist. Hört man den freundlich-zugewandten Tonfall, in dem FDP und Grüne derzeit mit- und übereinander reden, kann man leicht vergessen, dass es erst wenige Tage her ist, dass die FDP von einem grünen „Bullerbü“ als Horrorvision sprach und den Grünen Lindners Laden als Sekte des Marktglaubens galt.

Vorbei, vergessen, verzichtbare Wahlkampffolklore, die sich mit der ersten Prognose erledigt hatte: In diesen Tagen üben beide Parteien den Schulterschluss und inszenieren sich als neues Machtzentrum in den Sondierungsgesprächen. Betont geschlossen, auf Verschwiegenheit und Zusammenhalt bedacht. Und auch wenn man mit den Augen rollen möchte angesichts der instagramtauglichen Harmonie, ist die Strategie schlüssig: Wenn es den „Kleinen“ in diesen ersten Tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelingt, ein stabiles Band zu knüpfen und die größten Konflikte auszuräumen, steigen die Chancen für beide Parteien, einen möglichst großen Teil ihrer Inhalte auch in den Gesprächen mit dem dritten, „großen“ Partner unterzubringen – der SPD.

Position von Liberalen und Grünen wird gestärkt

Neben der Einigkeit untereinander nützt FDP und Grünen dabei noch ein weiterer Hebel. Die Möglichkeit, am Ende des Tages statt mit den Sozialdemokraten doch noch mit der Union regieren zu können, ist ein willkommenes Druckmittel in den Verhandlungen, ein Papiertiger, der den Preis nach oben treibt.

Die Alternative stärkt die Position von Liberalen und Grünen, auch wenn sie fast nur noch in der Theorie besteht. Deshalb gibt es für jede Äußerung von Spitzengrünen, die die Schnittmengen zur SPD betonen, auch jemanden, der ein existierendes schwarz-grünes Bündnis in den Ländern lobt oder erklärt, dass man keine Tür voreilig schließen sollte. Deswegen sind auch Habeck und Baerbock vorsichtig, nicht über das Offensichtliche hinaus Präferenzen erkennen zu lassen. Der FDP, der Jamaika an sich lieber wäre, fällt es ohnehin nicht schwer, noch ein bisschen länger davon zu träumen.

Union weiß nicht, was sie will

Bei Träumen wird es wohl auch bleiben. Dass am Ende dieser Sondierungen ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen steht, ist ausgesprochen unwahrscheinlich. Nicht nur, weil es den Grünen schwerfallen dürfte, ihrer Basis zu erklären, warum sie jemanden, der so spektakulär unbeliebt ist wie Armin Laschet, zum Kanzler machen sollen. Sondern auch, weil die Union derzeit kaum in der Lage scheint, die inhaltliche Arbeit zu leisten, die nötig wäre, damit ein solches Bündnis Chancen hat, vier Jahre lang zu tragen.

Der Schock vom vergangenen Sonntag hat offengelegt, wie wenig die Union weiß, was sie über den blanken Machterhalt hinaus eigentlich politisch will. Das unterscheidet sie von den „Kleinen“. So unterschiedlich ihre Ansätze zum Teil sein mögen, Grüne und FDP eint der Wille, tatsächlich zu gestalten statt zu verwalten. (Baustellen, auf die sie diesen Anspruch anwenden können, hat das Land genug.)

Implosion der Union eine Frage der Zeit

Auch wenn die CDU fraglos bereit wäre, Laschet zu opfern im Tausch gegen vier weitere Jahre an der Macht, ist sie deshalb kein attraktiver Partner. Weder FDP noch Grüne können ein Interesse haben an einer Regierungskoalition, in der absehbar ist, dass es neben komplizierten Sachfragen ständig um die internen Befindlichkeiten eines Koalitionspartners gehen wird.

Das Ergebnis ist eine paradoxe Situation: Die Union wird gerade noch zusammengehalten durch die theoretische Möglichkeit der Regierungsbeteiligung. Und Grüne und FDP müssen hoffen, dass die Implosion der Union so lange auf sich warten lässt, dass sie den Papiertiger noch mitnehmen können an den Verhandlungstisch.