Berlin. Plastikmüll ist ein weltweites Problem, Deutschland in der Produktion vorne dabei. Recycling klingt gut, funktioniert aber nicht immer.

Und dann sagte die Regierung in Peking Stopp. China wollte nicht mehr die weltweite Müllkippe für Plastikmüll sein. Gut ein Jahr ist es nun her, dass das Land die Qualitätsstandards für importierte Abfälle angehoben hat, verschmutzte und schlecht sortierte Altkunststoffe dürfen seither nicht mehr in die Volksrepublik eingeführt werden.

Während China nun eine eigene Kreislaufwirtschaft aufbaut, ist für Deutschland der größte Exportmarkt für seinen Plastikmüll weggebrochen. Und nun?

Keiner macht in Europa mehr Verpackungsmüll als die Deutschen

Beim Verpackungsmüll sind die Deutschen europaweit Spitze: Im Schnitt kommt mittlerweile jeder Bundesbürger auf 220 Kilo pro Jahr. Zwar brüstet Deutschland sich gerne mit seinem Eifer, alles im Kreislauf zu führen. Das stimmt für Glas, für Papier, für Metall weitgehend, die Stoffe sind in der hiesigen Industrie begehrt – aber nicht bei Kunststoff.

Es gibt Fortschritte, das ja. Erst vor wenigen Wochen stellte der Outdoorausrüster Vaude auf der Sportartikelmesse Ispo eine einzigartige Wanderjacke vor: Die Firma aus dem baden-württembergischen Tettnang näht erstmals eine Mem­bran ein, die Wind und Wasser abhalten soll. In ihr stecken Polyesterfäden alter PET-Flaschen.

So leicht ist der Einsatz des Altplastiks nicht

Andere deutsche Firmen, so erklärt Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), stellen Bodengitter für Reitanlagen oder Bohlen für den Strandzugang, Sandkästen für Spielplätze oder Bänke für Parks aus altem Kunststoff her. Und in den Niederlanden wurde vor wenigen Monaten ein erster Radweg aus recyceltem Plastik eröffnet, wenn auch nur 30 Meter lang.

Aber dass aus der Flasche wieder die Flasche, aus dem Becher wieder der Becher wird – das ist bislang selten. Das Unternehmen Werner und Mertz, zu dem Marken wie Erdal und Frosch zählen, hat zwar für seine Reinigungsmittel Flaschen entwickelt, die zu 100 Prozent aus Recyclingkunststoff bestehen – es findet aber nur wenig Nachahmer. Denn: So einfach ist das mit dem Einsatz des Altplastiks nicht, oft liegt es an technischen Gründen.

Neue Ansätze – die aber nicht viel kosten dürfen

Das Problem fängt bei der schwarzen Waschmittelflasche an. Dunkle Kunststoffe lassen sich nicht mehr zu hellen verarbeiten. Vor allem lässt sich schwarzes Plastikmaterial schwer sortieren, die Infraroterkennung der Sortieranlage tut sich mit der Farbe schwer.

Auch miteinander verklebte Folien machen den Recyclern zu schaffen. Wie etwa bei sechs Scheiben Käse: Die Verpackung soll vor Sonne schützen, frisch halten, zudem leicht zu öffnen und möglichst wieder zu schließen sein. Das gewährt eine Folie, die aus gut zehn hauchdünnen Schichten besteht – jede Schicht ein anderes Material.

Soll die nach dem Gebrauch wieder getrennt werden, um sortenreine Rezyklate daraus herzustellen, braucht es eine ausgeklügelte Technik. Nur: Diese darf nicht zu viel kosten, sonst wird die Neuware aus Rohöl unschlagbar günstig.

Anbieter erkennen Konsumentenbedürfnisse

Das Problem hat auch die politische Ebene erreicht. Die EU-Kommission verlangt in ihrer Plastikstrategie, dass bis zum Jahr 2030 sämtliche Kunststoffverpackungen wiederverwertbar sein müssen, viele Dinge werden verboten.

Hierzulande sollen sich schon mit diesem Jahr die Zeiten ändern: Seit 1. Januar ist in Deutschland ein neues Verpackungsgesetz in Kraft, die Recyclingvorgaben sind strikter als zuvor. Dazu engagieren sich einzelne Städte. So will Tübingen als Vorreiter Plastikverpackungen besteuern.

So mancher prescht nun vor. Der Discounter Aldi zum Beispiel will von 2022 an für seine Eigenmarken nur noch vollständig recycelbare Verpackungen verwenden. Adidas verspricht, bis 2024 für alle Produkte ausschließlich recyceltes Plastik zu verwenden. Und die Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und der Lebensmitteldiscounter Lidl und damit zwei der größeren Plastikmüllproduzenten Deutschlands gehören, will ab 2021 den Müll selbst in die Hand nehmen und ein eigenes Duales System einführen.

Dazu kommen kleine Schritte: Kaufland verzichtet auf Gurken-Folien, Real will Plastiktüten für Obst und Gemüse abschaffen, auch Rewe hüllt zumindest Bio-Gurken nicht mehr in eine Plastikverpackung.

Nicht alles Verwertbare wird auch zu Recyclingmaterial

Anders als bei Hausmüll oder der Biotonne sind für den Verpackungsmüll die Dualen Systeme zuständig. Sie beauftragen die Müllwerker, Sortierer, Entsorger. Dafür zahlen ihnen Industrie und Händler Lizenzgebühren, die wiederum die deutschen Verbraucher mit jedem Einkauf mitfinanzieren – im Jahr sind das etwa 12,50 Euro pro Kopf.

Nur: Längst nicht alles, was in eine Verwertungsanlage reingeht, kommt hinten als Recyclingmaterial wieder raus. Vieles lässt sich nicht gebrauchen, ist feucht, schimmelig, irgendwie ein Irrläufer. Derzeit wird in Deutschland weniger recycelt als offiziell angegeben: nur 30 Prozent der Kunststoffe, schätzen Experten.

Deutsche Umwelthilfe sieht Vorgaben nicht als Motivation

Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe glaubt zwar, dass künftig mehr recycelt wird, sieht aber keinen echten Schub durch die neuen Vorgaben: „Es reicht nicht aus, Recyclingquoten festzulegen, wenn die Nachfrage nach Altplastik nicht stimmt und Primärmaterial aus Rohöl viel zu billig ist.“ Er fordert eine Mindestquote für den Anteil von Recyclingmaterial in Plastikverpackungen und -produkten.

Lohnt es für Verbraucher derzeit eigentlich noch, Abfälle fein säuberlich zu trennen? „Auf jeden Fall“, meint Fischer, „je besser sortiert, desto einfacher das Recycling.“ Am besten sei es allerdings, auf Mehrweg zu setzen und Müll, wo immer es geht, zu vermeiden.