Berlin. Was Wladimir Putin erreicht hat? Die Diplomatie ist am Ende, statt Konferenzen sprechen Kanonen. Die Zeit ist reif für harte Sanktionen.

Der 21.2.2022 wird in die Geschichte eingehen. Man wird sich lange an diesen Tag erinnern, nicht nur wegen der einmaligen Zahlenhäufung. An diesem Montag hat der Präsident Russlands die Diplomatie für tot erklärt und eine politische Weltordnung vom Tisch gewischt, die mühselig auch mit der Unterschrift Russlands aufgebaut worden war. Statt Konferenzen sprechen Kanonen. Panzer sind die neuen Argumente und Propaganda ersetzt echte Positionen.

Kurzum: Für politisch denkende Menschen, die Verhandeln für die einzige rationale Option halten, ist die Lage zum Verzweifeln. Aber es hilft nichts: Aus der Putin’schen Wutrede müssen radikale Konsequenzen gezogen werden. Es darf sich nicht wiederholen, dass diplomatische Unterhändler bei einer aggressiven Großmacht derart vor die Pumpe laufen wie jüngst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Keine Rücksicht auf Putin, den Pokerspieler

Putin, der Pokerer, spielt mit seinem Einmarschbefehl einen hohen Einsatz. Das kann nur mit einem hohen Gegeneinsatz beantwortet werden. Es gibt keinen Grund, zurückhaltend bei Sanktionen zu sein, nur weil in Kiew noch keine Raketen einschlagen.

Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin
Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin © Dirk Brunieck

Gerade weil niemand ernsthaft eine militärische Konfrontation provozieren will, muss das ganze Instrumentarium entschlossen und schnell ausgespielt werden, damit es wirkt: Stopp von Nord Stream 2, Einfrieren von Auslandsvermögen, auch der Ausschluss aus dem Zahlungsverkehr Swift steht zur Debatte.

Was vor Wochen noch als überzogen galt, hat heute vielleicht gerade noch die ausreichende Dimension, um Russland vom Durchmarsch bis zur polnischen Grenze abzuhalten. Sogar das Existenzrecht der baltischen Staaten hat Putin indirekt angezweifelt. Ein größeres Alarmzeichen darf es für die dreißig Nato-Mitgliedsländer nicht geben.

Die Kreml-Propaganda blendet die russische Bevölkerung

Es ist kein gutes Zeichen, dass man in Russland die jetzt verhängten Sanktionen belächelt. Das militärische Drohpotenzial von Ukraine und Nato hat Wladimir Putin schon nicht beeindruckt. Die Liste der Sanktionen sollte es definitiv tun. Der wichtigste Verbündete des Westens ist das russische Volk, das – wie wir alle – in Frieden und Wohlstand leben will. Noch ist es durch staatsgelenkte Medien und Kreml-Propaganda geblendet.

Aber wenn Putin das Geld ausgeht, um seine Leute bei Laune zu halten, könnte er den Rückhalt verlieren, den er für seine gefährlichen Aktionen braucht. Auch die superreichen Oligarchen können Putin Probleme bereiten. Sie wollen Geschäfte und keinen Krieg. Sind ihre Jachten und Auslandsvillen unerreichbar, werden sie feststellen: Es gibt weniger Champagner am Schwarzen Meer und der Strand ist viel steiniger als im Beachclub von Saint-Tropez.

Der Westen ist für Putin am Ende seiner Kraft

Der Westen sollte Putins breitbeinige Rambo-Politik auch zum Anlass nehmen, auf die eigene Figur zu blicken. Es ist kein Zufall, dass Russlands Präsident jetzt zuschlägt. Seit 2007 ist der Kurs klar, und seine Wutrede haben Kenner schon vor einem Jahr in einem Aufsatz des Präsidenten lesen können.

Putin ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass der „Gegner“, so sieht der beim KGB sozialisierte Präsident den Westen, am Tiefpunkt seiner Kraft angekommen ist. Planlos abgezogen aus Afghanistan, ratlos bei der Sicherung der eigenen Grenzen, bedroht von der Wirtschaftsmacht Chinas mit einem schwachen Präsidenten im Weißen Haus und einem Europa, das von seinem Anspruch auf Weltgeltung und eigene politische und militärische Kraft noch Lichtjahre entfernt ist.

Diese Kombination von Schwächen ist brandgefährlich, weil sie wie beim Beispiel Ukraine Machtverschiebungen zulässt, die irreversibel sein können.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt