Militärputsch

Putsch in Myanmar: Armee übernimmt Macht - Ausnahmezustand

Felix Lill
| Lesedauer: 6 Minuten
Putsch in Myanmar: Armee übernimmt Führung des Landes

Putsch in Myanmar: Armee übernimmt Führung des Landes

In Myanmar hat die Armee wieder die Macht an sich gerissen. Die Streitkräfte erklärten in ihrem eigenen Fernsehsender, sie hätten die Kontrolle über das Land übernommen. Zuvor waren die bisherige De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und Präsident Win Myint festgenommen worden.

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Das Militär übernimmt in Myanmar die Macht – und stellt Regierungschefin Aung San Suu Kyi unter Arrest. Scharfe Proteste aus Europa.

Min Aung Hlaing hält seine stramm gestreckte rechte Hand an die Stirn, zieht eine ernste Miene, richtet den Blick in die Ferne. So hat man den Obersten Befehlshaber des Militärs von Myanmar immer wieder gesehen, seit er diesen mächtigen Posten vor zehn Jahren übernommen hat. Bisher hat er gern durch solche Posen seinen Einfluss demonstriert.

In der Nacht zu Montag aber lässt er nicht Bilder für sich sprechen, sondern Taten. Seine Männer haben die Regierungschefin Aung San Suu Kyi und weitere Politiker ihrer Partei NLD (Nationale Liga für Demokratie) festgenommen.

Myanmar: Militär putscht sich an die Macht - Ausnahmezustand

Kurz darauf wird über das Staatsfernsehen klargestellt: Min Aung Hlaing, dieser 64-jährige Offizier, der über Jahrzehnte einen langsamen Aufstieg in den Streitkräften des südostasiatischen Landes hinlegte, hat jetzt im ganzen Staat das Sagen. Denn die Parlamentswahl, die die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi im November gewonnen hat, sei irregulär gewesen.

Mit Millionen von Stimmzettelduplikaten sei das Ergebnis gefälscht worden. Deshalb übernehme jetzt lieber das Militär. „Der Ausnahmezustand gilt landesweit und für ein Jahr“, erklärt ein Nachrichtensprecher des staatlich kontrollierten TV-Senders MRTV am Montag. Danach solle es Wahlen geben.

In Myanmar herrschte schon ein halbes Jahrhundert das Militär

Es ist eine Rhetorik, die die älteren Menschen im Land noch gut kennen. Rund ein halbes Jahrhundert regierte in Myanmar nach einem Putsch im Jahr 1962 das Militär. Nach wiederholten internationalen Forderungen nach Demokratisierung und schmerzenden Sanktionen wurde im Jahr 2008 eine neue Verfassung erlassen, die demokratische Wahlen zuließ. Bei diesen durfte auch die jahrelang unter Hausarrest oder in Gefangenschaft lebende Aung San Suu Kyi antreten. 2015 gewann die Frau, die 1991 für ihre friedlichen Proteste den Friedensnobelpreis erhalten hatte, erstmals die Wahl.

Doch blieb ihre Macht von Anfang an stark beschränkt. Erstens sichert die Verfassung von 2008 dem Militär 25 Prozent der Sitze im Parlament zu, sodass ohne dessen Zustimmung keine Verfassungsänderung möglich ist. Hinzu kommt, dass das Militär die Ministerien für Verteidigung, Grenzangelegenheiten und Inneres kontrolliert. Somit hören die Beamten, Polizisten und Soldaten nicht etwa auf Anweisungen der demokratisch gewählten Staatsrätin Aung San Suu Kyi, sondern auf das Kommando des Militärs. Wohl auch deshalb hat die im überwiegend buddhistischen Land populäre Politikerin immer wieder geschwiegen, wenn es um die langjährige Gewalt des Militärs gegen die muslimische Minderheit der Rohingya ging.

Für die Machtübernahme fehlt dem Militär die rechtliche Grundlage

Dass Anfang dieser Woche dennoch die Führung ausgetauscht wurde, hatte sich bereits angekündigt. Am Montag sollte das im November neu gewählte Parlament seine erste Sitzung abhalten. Doch die Zusammensetzung gefiel den Militärs nicht: Mit 83 Prozent der Stimmen hatte Aung San Suu Kyis Partei NLD einen krachenden Wahlsieg eingefahren, während die von den Streitkräften unterstützte USDP (Union für Solidarität und Entwicklung) nur 33 der 476 Sitze gewonnen hatte. Nach dem Putsch forderte die NLD das Land mit den Worten ihrer Anführerin zu Protesten auf: „Die Maßnahmen des Militärs sind Maßnahmen, um das Land zurück in die Diktatur zu führen.“

Für die Machtübernahme fehlt dem Militär, das nach eigener Beteuerung die Verfassung garantieren will, eine deutliche rechtliche Grundlage. „Es ist ziemlich klar, dass im Falle eines Verfassungsnotstands die Macht überwiegend beim Präsidentenamt liegt und nicht beim Obersten Befehlshaber“, sagte Melissa Crouch, Rechtsprofessorin und Expertin für Südostasien an der University of New South Wales, Sydney, Australien, am Montag internationalen Medien.

Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wird Wahlbetrug vorgeworfen

Der staatlich kontrollierte TV-Sender MRTV stellt die Sache am selben Tag anders vor. Dort verweist der Nachrichtensprecher auf Artikel 418 der Verfassung von 2008 und liest vor: „Um die Wahllisten zu prüfen und Maßnahmen einzuleiten, wird die Macht der nationalen Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf den Obersten Befehlshaber übertragen.“ Die Gewaltenteilung, die die Justiz von der Regierung unabhängig machen soll, ist damit auch gleich abgeschafft – offiziell, um eine demokratische Verfassung zu schützen.

Mehr als ein Dutzend Regierungen anderer Staaten haben sich in der Zwischenzeit mit Forderungen zum Konflikt geäußert. Auf der einen Seite stehen liberale Demokratien wie die USA, Deutschland, Großbritannien, Japan und die EU, die in dieser Sache allesamt Aung San Suu Kyis Partei unterstützen und die Freilassung von deren Anführerin verlangen. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hat die Festnahme der Präsidentin „scharf verurteilt“.

Wenig Kritik ist dagegen vonseiten Chinas zu hören. „Die chinesische Regierung ist nicht geneigt, die Demokratie zu unterstützen“, sagt hierzu Damien Kingsbury von der Denkfabrik Australia Myanmar Institute in Melbourne. Vielmehr gehöre China zu den Unterstützern des Umsturzes.

Vor diesem Hintergrund ist Myanmar regionalpolitisch keineswegs ein unwichtiger Staat. Das 54 Millionen Einwohner zählende Land grenzt im Norden und Osten an China, das für jeweils ein Drittel von Myanmars Im- und Exporten verantwortlich ist. Zu den wenigen anderen Staaten, die seit 2008 regulären Handel mit Myanmar betreiben, gehört Japan. Seit der Demokratisierung vor rund zehn Jahren investierten aber auch westliche Staaten verstärkt in Myanmar. Nicht zuletzt, weil dort die Lohnkosten noch vergleichsweise niedrig sind. Auch um diese Produktionsstätten macht man sich nun Sorgen.