Berlin. Der Nachholfaktor kommt zurück. Dadurch gibt es weniger Rente als erwartet. Lesen Sie hier, wieviel von ihrer Erhöhung flöten geht.

  • Eigentlich sollten die Renten in Deutschland so stark wie seit den 80er Jahren nicht mehr steigen
  • Doch die Ampel-Koalition führte den Nachholfaktor wieder ein
  • Wir zeigen, wie sich das auf die Erhöhung ihrer Rente auswirken wird

Es war eine unangenehme Überraschung für Millionen Rentner und Rentnerinnen. Die satte Rentenerhöhung für 2022 wird doch geringer ausfallen als gedacht. Grund dafür ist der Nachholfaktor, den die Ampelparteien wieder eingeführt haben.

Ursprünglich war erwartet worden, dass Rentner und Rentnerinnen im kommendes Jahr im Westen 5,2 Prozent und im Osten sogar 5,9 Prozent mehr bekommen sollten. Der Rentenanstieg wäre wegen der 2021 deutlich gestiegenen Löhne eigentlich noch höher ausgefallen - dies verhindert jedoch der Nachholfaktor. Er sorgt dafür, dass die Renten auch dann stabil bleiben, wenn es eigentlich wie 2021 rechnerisch eine Absenkung hätte geben müssen.

Ohne den Nachholfaktor wären die Renten wohl noch einmal um rund 0,8 Prozent mehr gestiegen. Bei einer Rente von 1300 Euro im Monat ist das schon eine Differenz von mehr als zehn Euro monatlich. Die Tabelle zeigt die Unterschiede für verschiedenen Rentenhöhen mit und ohne Nachholfaktor (NF).

Rente im Westen: Tabelle mit und ohne Nachholfaktor

Rente (West) 2021Rente 2022 mit NFRente 2022 ohne NF
2000 €2088 €2104 €
1800 €1879,2 €1893,6 €
1600 €1670,4 €1683,2 €
1400 €1461,6 €1472,8 €
1200 €1252,8 €1262,4 €
1000 €1044 €1052 €
800 €835,2 €841,6 €

Rente im Osten: Tabelle mit und ohne Nachholfaktor

Rente (Ost) 2021Rente 2022 mit NFRente 2022 ohne NF
2000 €2102 €2118 €
1800 €1891,8 €1906,2 €
1600 €1681,6 €1694,4 €
1400 €1471,4 €1482,6 €
1200 €1261,2 €1270,8 €
1000 €1051 €1059 €
800 €840,8 €847,2 €

Rente: Wie funktioniert der Nachholfaktor?

Der Nachholfaktor soll dafür sorgen, dass sich der Rentenwert nicht unabhängig vom Durchschnittslohn aller Versicherten entwickelt. Wenn alle Versicherten weniger verdienen, zahlen sie auch weniger in die Versicherung ein. Dann müssten eigentlich auch die Rentner und Rentnerinnen weniger bekommen, denn schließlich ist weniger Geld vorhanden. Genau das aber verhindert wiederum die Rentengarantie, die 2009 im Zuge der Finanzkrise eingeführt wurde.

Heißt: Auch wenn die Löhne wie jetzt aufgrund der Corona-Pandemie sinken, werden die Renten nicht direkt gekürzt, sondern bis zur nächsten Erhöhung gewartet und diese verringert – eine nachgeholte Kürzung. Allerdings hatte die schwarz-rote Koalition den Nachholfaktor von 2018 bis Juni 2026 ausgesetzt. Damit soll nun Schluss sein.

Rente: So beurteilen Experten die Wiedereinfühung des Nachholfaktors

Der frühere Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, hält es für sinnvoll, dass die Renten weniger stark steigen sollen als bisher erwartet. Feld sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es kann nicht sein, dass die Rentnerinnen und Rentner über eine Rentengarantie von Rentenkürzungen im Zuge einer Rezession verschont bleiben, dann aber von der danach wieder steigenden Lohnsumme mit massiven Rentensteigerungen profitieren."

Ohne den Nachholfaktor wären die Rentnerinnen und Rentner absolute Krisengewinnler, sagt Feld. "Die Beschäftigten tragen hingegen die volle Last der Rezession und müssten ohne Nachholfaktor auch noch dauerhaft stärker für die Rentenversicherung aufkommen."

Bundesarbeitsminister Heil verwies zudem darauf, dass die Rentenerhöhung trotz Nachholfaktor für 2022 weiterhin über vier Prozent steigen würden. "Das ist immer noch sehr ordentlich", sagte Heil.

Kritik kam hingegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Vorstandsmitglied Anja Piel sagte: "Das Wiedereinsetzen des Nachholfaktors wird praktisch dafür sorgen, dass Renten langsamer steigen als Löhne und so Rentnerinnen und Rentner noch weiter von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt werden." (jas mit dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.