Berlin. Tanken, Heizen, Einkaufen: Das Leben wird durch die Inflation immer teurer. Exklusive Berechnungen zeigen, wen es besonders trifft.

Das Leben in Deutschland wird teurer und teurer: Die Verbraucherpreise lagen im April um 7,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Besonders stark stiegen die Preise für Energie und Lebensmittel. Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung für diese Redaktion zeigen, dass die explodierenden Preise besonders Rentner, Alleinerziehende und Familien mit geringen Einkommen belasten.

In der Haushaltskasse einer Familie mit zwei Kindern und einem geringen monatlichen Nettoeinkommen von 2000 bis 2600 Euro hinterlässt die Entwicklung ein großes Loch: Allein im April musste sie im Vergleich zum Vorjahresmonat 36 Euro mehr für Lebensmittel, 42 Euro mehr fürs Tanken und 59 Euro mehr für Haushaltsenergie ausgeben, also für Strom, Heizen und warmes Wasser. Unter dem Strich steht damit eine Mehrbelastung von 137 Euro im Vergleich zum April 2021.

Ein alleinlebender Rentner mit weniger als 900 Euro gab insgesamt 52 Euro mehr aus. Bei dem Ruheständler schlagen die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln mit 13 Euro, beim Tanken mit sieben Euro und für den Energieverbrauch im Haushalt mit 32 Euro zu Buche. Die Zahlen belegten „schwarz auf weiß“, dass „Menschen mit niedrigen Einkommen besonders stark von den Preissteigerungen betroffen sind“, sagte der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, dieser Redaktion.

Immer mehr Menschen suchen Schuldnerberatung auf

Das zeigt auch ein Vergleich weiterer Beispiele der IMK-Berechnungen: Ein Durchschnittshaushalt aus zwei Personen mit einem Bruttoeinkommen von etwa 77.500 Euro im Jahr hatte demnach im April Zusatzkosten von insgesamt 116 Euro. Eine Alleinerziehende mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 34.000 Euro musste aber 118 Euro mehr ausgeben.

Und eine vierköpfige Familie, in der nur ein Elternteil berufstätig ist und brutto 50.000 Euro verdient, zahlte im April für Lebensmittel, an der Zapfsäule und für den Energieverbrauch in der Wohnung 154 Euro mehr als vor einem Jahr.

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Die Energiepreise waren bereits vergangenes Jahr stark gestiegen, der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar verschärfte die Entwicklung. Im April verteuerte sich Energie gegenüber dem Vorjahresmonat um 35,3 Prozent. Aber auch die Preise für Nahrungsmittel schossen in die Höhe: Lebensmittel insgesamt waren im April 8,6 Prozent teurer als vor einem Jahr. Speisefette und Speiseöle verteuerten sich um 27 Prozent, Fleisch und Fleischwaren um knapp zwölf Prozent, Molkereiprodukte und Eier sowie frisches Gemüse um rund neun Prozent.

Zuletzt stiegen auch die Preise für Lebensmittelpreise stark.
Zuletzt stiegen auch die Preise für Lebensmittelpreise stark. © dpa | Fabian Sommer

Das bringt viele Menschen in Bedrängnis. „Wer immer schon ab Monatsmitte jeden Euro zweimal umdrehen muss, kann jetzt die hohen Preise für Energie und Lebensmittel nur schultern, indem er oder sie tiefe Einschnitte ins Selbstverständliche vornimmt“, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa dieser Redaktion. „Woanders sparen geht schwer, wenn fast das gesamte Einkommen für Grundbedürfnisse draufgeht.“ In die Schuldnerberatungsstellen der Caritas kommen demnach immer mehr Menschen, die ihre Stromrechnungen nicht mehr zahlen können.

Regierung hat zwei Entlastungspakete beschlossen

Wirtschaftsexperten erwarten, dass das Ende der Preisspirale noch nicht erreicht ist. „Die Belastungen durch die Preise für Haushaltsenergie und Nahrungsmittel dürften im Verlauf des Jahres noch weiter steigen“, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien dieser Redaktion. Für Verbraucher bedeutet die hohe Inflation ein massiver Kaufkraftverlust.

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Um die Bürger zu unterstützen, hatte die Bundesregierung bereits kurz vor Kriegsbeginn ein erstes Entlastungspaket beschlossen. Dies enthielt etwa Vorteile für Pendler, Steuererleichterungen, eine vorgezogene Abschaffung des Ökostromzuschlags sowie einen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger.

Nur einen Monat später schnürte die Koalition das zweite Bündel. Darin enthalten waren eine Absenkung der Steuer auf Benzin und Diesel für drei Monate, Einmalzahlungen für Familien und die Empfänger von Sozialleistungen sowie ein Ticket für Bus und Bahn, das nur neun Euro für drei Monate kosten soll.

Rentner bekommen Energiepreispauschale nicht

Die Entlastungen beider Pakete summieren sich auf rund 30 Milliarden Euro. Allerdings dauert es, bis das Geld bei den Bürgern ankommt. „Diese Maßnahmen werden ihre Wirkung in den kommenden Monaten entfalten“, sagte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Miersch dieser Redaktion.

Durch die Inflation sinkt die Kaufkraft der Bevölkerung.
Durch die Inflation sinkt die Kaufkraft der Bevölkerung. © dpa | Monika Skolimowska

In der Kritik steht die Regierung, weil die einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro aus dem zweiten Paket nur einkommenssteuerpflichtige Erwerbstätige erhalten – Rentner gehen leer aus. Die Entlastungspakete dämpften die Mehrbelastungen durch gestiegene Energiepreise für Geringverdiener zu etwa 90 Prozent ab, rechnet IMK-Direktor Dullien vor. „Rentnerinnen und Rentner gehen allerdings weitgehend leer aus, das ist ein großes Problem.“

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Dullien hat noch eine Schwäche entdeckt: „Die Entlastung deckt noch nicht die zu erwartenden Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln ab.“ Das sei eine Lücke. „Die Bundesregierung wird sich daher überlegen müssen, ob sie ihre Entlastungspakete noch einmal nachbessert“, sagt der Wirtschaftsexperte.

Wird es weitere Entlastungen geben?

Die Unterstützung der Regierung sei nicht zielgenau, komme oft zu spät und sei vor allem nicht nachhaltig, kritisiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Sie schlägt neben der Einführung eines Klimagelds als Ausgleich für den steigenden Preis auf CO2, die Abschaffung von Gas- und Stromsperren, eine bessere Ausgestaltung des Wohngeldes und eine leicht zugängliche individuelle Energieberatung vor. „Die Caritas fordert, die Menschen verlässlich zu entlasten und gleichzeitig die richtigen Anreize für Klimaschutz zu setzen“, so Welskop-Deffaa.

SoVD-Präsident Bauer ruft die Regierung auf, die Empfänger von Sozialleistungen, Geringverdiener und Rentner mit niedrigen Renten zu entlasten – „nicht nur einmalig, sondern dauerhaft“. Dafür müssten die Regelsätze angehoben und Einmalzahlungen zu monatlichen Zahlungen werden. Bauer verlangt zudem, dass auch Rentner die Energiepreispauschale erhalten.

Heil offen für weitere Entlastungen - auch für Rentner

Auf den Vorwurf, die Rentner vergessen zu haben, reagierten Vertreter der Ampel-Koalition bislang mit dem Verweis auf die Rentenanpassung im Juli: Dann steigen die Altersbezüge in Westdeutschland um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent steigen. Inzwischen mehren sich aber vor allem aus der SPD die Stimmen, die weitere Entlastungen nicht mehr ausschließen. „Wenn die Preissteigerungen ganz lange dauern werden, dann werden wir auch weitere Maßnahmen ergreifen, auch für Rentnerinnen und Rentner“, versprach Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kürzlich.

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Details möglicher Zusatzhilfen sind bisher offen. „Da darf es keine Denkverbote geben“, sagte SPD-Fraktionsvize Miersch. Der Sozialdemokrat nennt aber die Regulierung von Preisen oder die Abschöpfung extremer Gewinne als mögliche Maßnahmen. Damit sind die Profite von Unternehmen gemeint, die aufgrund kriegsbedingter Preissteigerungen extrem gut verdienen. Die Koalition werde gewährleisten, „dass Energie und Lebensmittel für alle bezahlbar bleiben“, so Miersch.

SystemDie gesetzliche Rente funktioniert nach dem Äquvivalenz- und dem Solidarprinzip.
Renten-ArtenGrund-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrente
AusnahmenSelbstständige und Freiberufler sind in der Regel von der Versicherungspflicht befreit.
FinanzierungDie gesetzliche Rente in Deutschland ist grundsätzlich umlagenfinanziert.
ProblemeDie Unterfinanzierung resultiert hauptsächlich aus der zunehmend älter werdenden Bevölkerung in Deutschland.
Drei SäulenDie Altersvorsorge in Deutschland umfasst die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge.
UrsprungDie gesetzliche Rente wurde am 22. Juli 1889 unter Reichskanzler Otto von Bismarck offiziell eingeführt.