Berlin. Ein höherer Rundfunkbeitrag ist verkraftbar. Allerdings müssen die öffentlich-rechtlichen Sender dafür überfällige Reformen anpacken.

Fernsehen und Radiohören wird teurer – um 86 Cent. Wieder einmal mussten Deutschlands höchste Richter ran, um den Weg für die Gebührenerhöhung freizumachen. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich mit der Erhöhung durchgesetzt.

Die Gebührensteigerung wird tatsächlich niemanden ruinieren, und die jüngste Erhöhung liegt bereits Jahre zurück. Der harte Kampf um die 86 Cent zeigt aber, dass die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen an Grenzen stößt. In Sachsen-Anhalt wäre darüber fast die Regierung geplatzt.

Streit um Rundfunkbeitrag war ein Stellvertreterkrieg

Der Streit um die Gebühren war ein Stellvertreterkrieg. Es ging nicht um ein paar Cent, sondern um die Frage, ob die öffentlich-rechtlichen Anstalten für ihr Geld ihrem Auftrag noch gerecht werden und ob sie insgesamt wirtschaftlich haushalten und die Gebühren-Milliarden für das ausgeben, wofür das Geld bestimmt ist: für ein exzellentes, unabhängiges Programm, das Demokratie fördert und allen gesellschaftlichen Schichten aufgeklärte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht.

Die verantwortlichen Programmmacher sollten aus der Auseinandersetzung Konsequenzen ziehen, gerade weil die Karlsruher Richter ihnen Absolution erteilt haben. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich die schwindende Akzeptanz wieder erkämpfen. Das geht nur mit einer maximal selbstkritischen Bestandsaufnahme bei den Inhalten und beim Geldausgeben.

Rundfunk: Live-Berichterstattung ausbauen und mehr informieren

Wer bei großen aktuellen Ereignissen zuverlässig live und mit Bewegtbild informiert werden will, zappt schon lange nicht mehr auf ARD und ZDF. Egal, wie groß eine Lage ist – wenn die Programmmaschine rollt, haben dort „Notruf Hafenkante“ oder „In aller Freundschaft“ Vorfahrt vor aktueller und tiefergehender Information.

Die ARD würde es schaffen, auch den Weltuntergang in einen „Brennpunkt“ zu quetschen, zehn Minuten nach der „Tagesschau“. Das ist ambitionslos und nicht mehr zeitgemäß.

ARD und ZDF dürfen privaten Medien nicht das Wasser abgraben

Stattdessen werden immer mehr digitale Info-Portale mit Gebührengeld gefüttert, die privaten Medien das Leben schwer machen. Das ist keine Petitesse, denn so riskiert man eine lebendige, ausgewogene Presselandschaft aus Öffentlichen und Privaten zu zerstören, die sich über Jahrzehnte bewährt hat.

Die wenigsten Gebührenzahler wissen, dass sie mit ihrem Geld – jetzt 86 Cent mehr – auch zum Niedergang der Medienvielfalt beitragen und damit automatisch Mainstream finanzieren

Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin, kommentiert.
Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin, kommentiert. © Dirk Bruniecki

Auch über die Qualität von Inhalten wird in dieser Debatte zu reden sein. Und darüber, ob Belehrung und Information der Öffentlichkeit in einigen Formaten nicht längst ein krasses Missverhältnis angenommen haben.

Auf die Beitragserhöhung müssen ernsthafte Reformen folgen

Wie wichtig und lebensnotwendig öffentlich-rechtliche Medien sein können, hat die Jahrhundertflut gezeigt. Leider als schlechtes Beispiel. Als es richtig ernst wurde, hat besonders der WDR zu lange geschlafen – und muss daraus jetzt Konsequenzen ziehen.

Auf den Tisch gehören auch unnötige Doppelarbeiten von Redaktionen, erdrückende Pensionslasten und horrend teure Immobilienplanungen wie der ­Umbau des WDR-Filmhauses. Über 200 Millionen statt 100 Millionen Sanierungskosten muss man erst mal hinkriegen. Elbphilharmonie und BER lassen grüßen.

Das Karlsruher Urteil gibt also genug Stoff für kritische Debatten, die auf die Gebührenerhöhung folgen müssen. Daraus dann Konsequenzen zu ziehen, ist nicht senderfeindlich, sondern das ist man den Zuschauerinnen und Zuschauern schuldig. Gelingt das nicht, muss diese Gebührenerhöhung die letzte gewesen sein.