Berlin . Verlegt Putin nukleare Streitkräfte in die Ukraine? Ein Video befeuert gerade Spekulationen über einen “Atomzug“. Was dagegen spricht.

Bereitet Russland den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine vor? In den sozialen Netzwerken macht derzeit ein Video die Runde, das die Verlegung einer Spezialeinheit des russischen Verteidigungsministeriums zeigen soll. Die Einheit ist mit der Verwaltung und Sicherheit des russischen Atomwaffenarsenals betraut.

In der undatierten Aufnahme sind Eisenbahnwaggons zu sehen, die militärische Lkw und Spezialfahrzeuge durch Zentralrussland transportieren. Ein Wasserzeichen weist einen kremlnahen Telegram-Kanal als Quelle des Videos aus. Entstanden sein sollen die Aufnahmen des "Atomzugs" in der Stadt Sergijew Possad, wo die Einheit ein Ausbildungszentrum für Sicherheitskräfte unterhält.

Atomzug aus Russland: Signal an den Westen?

Militäranalyst Konrad Musyka, der das fragliche Gerät der Spezialeinheit zugeordnet hatte, schrieb dazu auf Twitter, es sei unwahrscheinlich, dass Russland hier den Atomwaffeneinsatz vorbereite. Er vermutet eher ein "Signal an den Westen" hinter dem Zug, mit dem eine grundsätzliche Bereitschaft zur nuklearen Eskalation angezeigt werden solle. Auch könne eine Übung oder die Vorbereitung auf ein nukleares Manöver hinter dem Video stecken.

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Aus Russland waren zuletzt vermehrt nukleare Töne zu vernehmen. Präsident Wladimir Putin steht unter großem Druck, der Angriff auf die Ukraine hat sich für seine Streitkräfte mittlerweile zu einer Verteidigungsschlacht gewandelt. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion von ukrainischem Gebiet könnte der Kreml nun argumentieren, Russland werde angegriffen. So ein Angriff rechtfertigt in der russischen Militärdoktrin auch den Einsatz von Atomwaffen.

Atomwaffen in der Ukraine: Westen nimmt Drohungen ernst

Zwar glauben Experten im Westen nicht daran, dass Russland wirklich zum Äußersten bereit ist. Das nukleare Säbelrasseln Moskaus blieb dennoch nicht unbeantwortet, am deutlichsten aus Washington. Die USA hatten Russland vor "katastrophalen Konsequenzen" gewarnt, und dürften diese auf informellen Kanälen auch konkretisiert haben.

Wie diese Konsequenzen aussehen könnten, skizzierte Ex-CIA-Chef David Petraeus. Dem Sender ABC sagte der pensionierte Vier-Sterne-General, ein Atomwaffeneinsatz Russlands in der Ukraine würde Seitens der USA und Nato mit der Ausschaltung aller konventionellen russischen Kräfte in der Ukraine, auf der Krim und im Schwarzen Meer beantwortet.

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Die deutlichen Worte des in der US-Hauptstadt gut vernetzten Militärs lassen darauf schließen, dass in Sicherheitskreisen konkrete Pläne für eine atomare Eskalation des Krieges existieren. Putins Spiel mit dem Feuer wird in Washington nicht als heiße Luft abgetan.

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Auch die Europäer nehmen durchaus ernst, worüber der Kreml so laut nachdenkt. Am Dienstag äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zum atomaren Drohgebaren Russlands betont kämpferisch. Man lasse sich nicht abschrecken, "deswegen sprechen wir hier auch weiter über Waffenlieferungen an die Ukraine", sagte sie nach Beratungen mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau in Warschau.

Die Europäische Union bereite wegen der Annexionen ein achtes Sanktionspaket vor, dazu gehöre auch militärische Hilfe, kündigte sie in Richtung Moskau an. Lesen Sie dazu: Lambrecht-Besuch: Ukraine erhält neue Waffe aus Deutschland

Atomzug Richtung Ukraine: Gerät für Krieg fehlt

Es bleibt weiter abzuwarten, ob Putin ernst macht mit den Atomwaffen. Sollte die russischer Armee deren Einsatz wirklich vorbereiten, machte die Verlegung einer Spezialeinheit zum Schutz nuklearer Munition durchaus Sinn.

Dass es sich im aktuellen Fall des "Atomzugs" eher um eine weitere Drohgebärde handelt, denn um echte Vorbereitung, zeigt aber schon die kremlnahe Quelle des Videos. Sie lässt auf eine gezielte Verbreitung der Aufnahme schließen, ein Propaganda-Schachzug der in westlichen Medien Spekulationen auslösen und so Angst verbreiten soll.

Dafür spricht auch, dass sich die russische Armee nicht erst im Zuge der Teilmobilmachung schwer damit tut, Ausrüstung und Gerät für den immer schlechter laufenden Krieg zusammenzuziehen. Das britische Verteidigungsministerium etwa teilte unlängst mit, russischen Reservisten sei gesagt worden, sie sollten ihr eigenes Verbandszeug bereitstellen.

Derweil kämpft die Armee mit rund 50 Jahre alten Panzern. Ihre Materialnot ist groß. Gut möglich, dass sie Spezialfahrzeuge zweckentfremdet und an die Front entsendet – selbst einen Zug der nuklearen Einheit.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de