Berlin. Deutsche Nachrichtendienste sind besorgt über Spionage und Sabotage und halten auch gezielte Tötungen und nukleare Schläge für möglich.

Es sind drastische Worte, mit denen die deutschen Geheimdienste vor Russland warnen. Von einer „beispiellosen Eskalation“ spricht der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mit Blick auf den Angriff auf die Ukraine. Von „multidimensionalen Anfeindungen“ Russlands gegen den Westen, von einem „Kampf“ zwischen den „Systemen.

Und der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, nennt es eine „Kriegserklärung“ Wladimir Putins gegen die „freiheitliche und demokratische Welt“. Die Dienste hoben hervor, dass sowohl Spionage als auch Sabotage von Infrastruktur sowie Cyberattacken Teil der russischen Angriffsstrategien seien. Auch gezielte Ermordungen etwa von politischen Gegnern in Deutschland schlossen die Sicherheitsbehörden nicht aus.

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Atomschlag-Gefahr: Geheimdienstchefs nehme die Bedrohung wahr

Dem russischen Präsidenten gehe es nicht darum, im Krieg in der Ukraine offen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Es gehe darum, die Ukraine an den Verhandlungstisch zu zwingen – eine Art Diktatfrieden. All dies hob Geheimdienstler Kahl in einer öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag hervor. Dabei können auch nukleare Waffen in der Strategie Russlands eine zentrale Rolle spielen.

Vor allem die Warnung vor der Nuklearmacht Russland fällt an diesem Montagvormittag im Bundestag auf. Russlands atomare Muskelspiele sind nicht neu, die Strategie der Angstmache mithilfe von Atomwaffen seit vielen Jahren Teil der Militärpolitik des Kremls, mehrfach hatte Putin mit dem Einsatz dieser Waffen gedroht. Diese öffentliche Warnung der obersten deutschen Geheimdienstchefs zeigt, wie ernst die Behörden die Lage nehmen.

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Ukrainische Soldaten in einer Ruine in der ostukrainischen Stadt Kupjansk. Die Truppen rücken immer weiter vor.
Ukrainische Soldaten in einer Ruine in der ostukrainischen Stadt Kupjansk. Die Truppen rücken immer weiter vor. © Getty Images | Carl Court

Dienste sehen keine konkreten Anzeichen für Einsatz von Atomwaffen in Ukraine

„Russland behält sich den Ersteinsatz von Kernwaffen in einem Konflikt vor, wenn die Existenz des Staates durch den Einsatz gegnerischer, auch konventioneller Waffensysteme bedroht ist“, sagte BND-Chef Kahl. Oder etwa wenn das russische Atomarsenal selbst durch den militärischen Gegner ausgeschaltet werden soll.

Der Nachrichtendienst-Chef hob hervor, dass nicht ein Einsatz einer transkontinentalen Atomrakete denkbar sei, sondern etwa „regional begrenzte Szenarien“, etwa durch den Einsatz „sub-strategischer Nuklearwaffen“, das heißt kleinere atomare Angriffe, begrenzt in der Reichweite, in der Sprengkraft und gezielt eingesetzt auf dem Gefechtsfeld – und doch mit möglichen verheerenden Auswirkungen.

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Brisant: Nach Kreml-Logik liegen besetzte Gebiete in der Ukraine im Kampfgebiet

Derzeit erlebt Russland in der Ukraine militärische Rückschläge, die ukrainische Armee befreit mehr und mehr Gebiete von russischer Kontrolle. Auch um auf dem Schlachtfeld „militärische Dominanz“ zurückzugewinnen, siehe die russische Militärdoktrin den Einsatz dieser taktischen Kernwaffen vor, warnt der BND-Präsident bei der Befragung durch die Abgeordneten im Bundestag.

Brisant ist diese Äußerung auch vor dem Hintergrund, dass Russland unlängst Teile der Ukraine im Osten und im Süden zu „russischem Staatsgebiet“ per Schein-Referendum erklärt hatte. Russisches Territorium liegt nach Kreml-Logik nun mitten im Kampfgebiet. Zugleich hob der Präsident des BND hervor, dass es derzeit keine Anzeichen dafür gebe, dass Putin tatsächlich diese Stufe der Eskalation durch den Einsatz von Atomwaffen vorbereitet. Fachleute hatten immer wieder hervorgehoben, dass dieser Einsatz für Putin und Russland selbst sehr hohe Risiken birgt.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt