Berlin. Knapp drei Wochen nachdem die neue Straßenverkehrsordnung in Kraft getreten ist, will sie Verkehrsminister Andreas Scheuer ändern.

Wer zu schnell fährt, der ist seit Ende April schneller seinen Führerschein los. Innerorts reichen jetzt schon 21 km/h zu viel für einen Monat Fahrverbot. Das stößt in der Bevölkerung auf breiten Protest – und auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) findet die Regelung „unverhältnismäßig“. Er will sie am liebsten bis zum Herbst wieder aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) streichen und damit aus der Welt schaffen.

Dabei ist er auf die Zustimmung der Bundesländer angewiesen – und die hatten im Bundesrat die Verschärfung erst im Februar in den Bußgeldkatalog geschrieben. Bislang war der Führerschein für einen Monat weg, wenn die Verkehrsüberwacher innerorts mit mehr als 31 km/h zu viel blitzten, außerorts erst ab 41 Stundenkilometern. Lesen Sie mehr: Neue Verkehrsregeln: Was Autofahrer und Radfahrer wissen müssen

Andreas Scheuer verteidigt neue Straßenverkehrsordnung

Im Bundesrat hatten die Länder bei ihren Beratungen zur Novelle der Straßenverkehrsordnung über 100 Änderungsanträge eingebracht – eben auch die Verschärfung der Strafe für zu schnelles Fahren. 15 Bundesländer stimmten zu, nur Thüringen enthielt sich wegen der laufenden Regierungsbildung.

Auch Scheuer verteidigt die Reform im Großen und Ganzen: „Wir wollten uns bewusst auf den Schutz der Schwächeren konzentrieren“, sagte er. Das sei durch Mindestabstände beim Überholen von Radfahrern, Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen oder ein Verbot des Blockierens von Radstreifen auch gelungen. Zudem drohen für Verstöße bei der Rettungsgasse auf Autobahnen viel härtere Strafen.

Höheres Bußgeld als Kompromissvorschlag

Warum Scheuers Behörde aber nicht eingriff und die jetzt heftig kritisierte Regelung zum Fahrverbot für geringe Geschwindigkeitsverstöße strich? Das wäre nach den Bundesratsbeschlüssen nur im Gesamtpaket möglich gewesen, rechtfertigte sich der Minister am Freitag. Und man habe die anderen Erfolge der Reform nicht gefährden wollen.

Nun will Scheuer eine mildere Strafe im Einvernehmen mit den Bundesländern prüfen. „Wir werden auf die Länder zugehen und bitten, dies wieder auf den alten Stand zu bringen“, sagte er. Sein Kompromissvorschlag: Statt des einmonatigen Fahrverbots könnte das Bußgeld von 80 auf 100 Euro steigen. Wann Verkehrssünder nun mehr zahlen müssen.

Bußgeldkatalog: Grüne nennen Scheuers Vorgehen „befremdlich“

Ein guter Zeitpunkt für das Zurückdrehen der Straßenverkehrsordnung wäre aus seiner Sicht die im Herbst anstehende Novelle der StVO. Bei der nächsten Reform geht es um die Befugnisse der neuen Autobahn GmbH, die künftig die Fernstraßen zen­tral verwaltet – hier ließe sich der überarbeitete Bußgeldkatalog anhängen.

Mit seinem Vorhaben trifft Scheuer auf heftige Gegenwehr. Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, nannte es gegenüber unserer Redaktion „befremdlich“, dass sich der Minister mitten in Gesprächen über Milliardenhilfen für die Bahn, Lufthansa und den öffentlichen Nahverkehr über den Bußgeldkatalog Gedanken mache.

„Eine erneute Änderung wird es nicht so schnell geben“, stellte er klar. Dafür bedürfe es der Mitbestimmung der Bundesländer: „Und die haben Scheuer die Bußgeldverschärfungen ja gerade erst in den Katalog geschrieben.“

SPD-Politikerin: „Das riecht nach Flucht aus der Verantwortung.“

Anke Rehlinger (SPD), Vizeregierungschefin des Saarlandes und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, sagte, sie habe Verständnis dafür, wenn sehr harte Sanktionen für bestimmte Vergehen als unverhältnismäßig wahrgenommen würden. „Aber kurz nach der Verabschiedung schon wieder Änderungen machen zu wollen, riecht nach Flucht aus der Verantwortung.“

Die neue Regelung solle sich zunächst in der Praxis bewehren. Rehlinger sagte unserer Redaktion: „Sollten sich Fehlentwicklungen zeigen, werden sich die Länder Verhandlungen nicht verwehren.“

Nicht nur die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung hatten die Änderungen im Bundesrat beschlossen, auch die FDP hatte zugestimmt. Die Liberalen rudern nun ebenfalls zurück.

„Sanktionen sind richtig, aber eine Führerscheinfalle für Millionen Autofahrer ist ungerecht und unverhältnismäßig“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic. Bei Fahrverboten für eine erste und ein­malige Geschwindigkeitsübertretung fehle die Verhältnismäßigkeit. Die AfD forderte eine weitreichende Rücknahme der Bestimmungen und witterte einen „Kampf gegen das Auto“.

Aussetzung der neuen Regeln ist nicht möglich

Bis zu einer möglichen Neuregelung des Bußgeldkatalogs können Autofahrer mit lockerem Gasfuß nicht mit Nachsicht rechnen. Eine Aussetzung ist laut Minister Scheuer nicht möglich: „Fakt ist: Am 28. April ist diese Verordnung erst einmal in Kraft getreten.“