Berlin. Scholz und Putin trafen sich in Moskau. Eine klare Antwort zur Kriegsgefahr blieb Russlands Präsident schuldig, meint Jan Dörner.

Der meterlange, leere Tisch, an dem der russische Präsidenten Wladimir Putin und Olaf Scholz bei dem Besuch des Kanzlers in Moskau über Krieg und Frieden verhandelten, ist ein Sinnbild für die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Russland und vielen westlichen Staaten: Beide Seiten sind weit voneinander entfernt, die Verständigung ist schwierig, Vertrauen nicht vorhanden.

Deutschland und seine Verbündeten rätseln seit Wochen, was Putin mit dem massiven Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine bezwecken will. Steht der russische Angriff sogar unmittelbar bevor, wie die US-Regierung kürzlich öffentlich warnte?

Jan Dörner, Politikredakteur in der Funke-Zentralredaktion.
Jan Dörner, Politikredakteur in der Funke-Zentralredaktion. © Privat | Privat

Russlands Drohkulisse besteht fort

Eine klare Antwort gab Putin bei dem Besuch von Olaf Scholz in der russischen Hauptstadt nicht. Allerdings gab es zeitgleich – wenn auch mit großer Vorsicht einzuordnende – Signale der Entspannung. Aus dem Grenzgebiet zur Ukraine seien Truppen abgezogen worden, verlautete von russischer Seite. Es ist aber zu früh, um darin bereits den Willen Putins zu einer wirklichen Deeskalation zu erkennen.

Die martialische Drohkulisse gegenüber der Ukraine besteht fort, besonders solange weiterhin zehntausende russische Soldaten mitsamt schwerem Kriegsgerät in Grenznähe stehen. Mit jedem Tag, an dem Putin die Ukraine nicht angreift, wächst jedoch die Hoffnung auf eine Entschärfung der akuten Kriegsgefahr.

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Putin bleibt nach Gespräch mit Scholz verhandlungsbereit

Putin wählte viele scharfe Worte nach dem Treffen mit Scholz, dennoch zeigte er sich zu weiteren Verhandlungen bereit. Die Doppelstrategie der USA und der Europäer scheint zumindest bisher zu wirken. Trotz der Diskussionen um die Entschlossenheit der Bundesregierung gegenüber Russland sind die westlichen Verbündeten gegenüber Putin geeint aufgetreten.

Auf der einen Seite hat die Nato ihre Ostflanke militärisch gestärkt. Außerdem haben die USA und Europa gemeinsam ein Bündel von weitreichenden wirtschaftlichen und finanziellen Strafmaßnahmen ausgearbeitet, das im Falle eines Angriffs auf die Ukraine umgehend in Kraft gesetzt werden kann.

Andauerndes Gesprächsangebot mit Putin – Krieg lässt sich kaum Begründen

Auf der anderen Seite betonen sie fortwährend ihre Bereitschaft, im Dialog mit Russland einen Ausweg aus der angespannten Situation zu finden. Der Besuch von Scholz bei Putin war ein weiterer wichtiger Baustein dieser Strategie. „Es ist unsere verdammte Pflicht und Aufgabe, als Staats- und Regierungschefs zu verhindern, dass es in Europa zu einer kriegerischen Eskalation kommt“, mahnte Scholz an den russischen Präsidenten gewandt.

Das andauernde Gesprächsangebot, ob bilateral, im Nato-Russland-Rat, im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder im Normandie-Format, erschwert es Putin, einen Krieg gegenüber der Weltöffentlichkeit mit dem Verhalten des Westens zu begründen.

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Putins Forderung: Ukraine soll niemals Mitglied der Nato werden

Sollte es gelingen, jetzt einen Krieg abzuwenden, ist die brandgefährliche Situation in Osteuropa jedoch noch immer nicht dauerhaft entschärft. Putin verlangt von der Nato Sicherheitsgarantien, die diese ihm so nicht geben will. Ein Kernpunkt ist seine Forderung, dass die Ukraine niemals Mitglied der westlichen Militärallianz werden dürfe.

Die Nato hält jedoch fest am Prinzip der freien Bündniswahl. Wie der Konflikt um den Status der Ukraine gelöst werden kann, blieb nach dem Treffen von Scholz und Putin offen. Über die aktuellen Spannungen hinaus müssen Deutschland und seine Verbündeten jedoch mit Russland klären, wie eine Sicherheitsarchitektur auf dem Kontinent langfristig aussehen soll.

Dazu zählen Fragen der Abrüstung ebenso wie das Recht aller Staaten auf Souveränität und territoriale Unversehrtheit. Der Weg zu einem gemeinsamen Verständnis in diese Fragen, das hat der Besuch des Kanzlers in Moskau gezeigt, ist sehr, sehr weit.

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