Berlin. Die Regierung will ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. Warum das wirtschaftlich fragwürdig, politisch aber notwendig ist.

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Gefühl für Staatsausgaben verändert. Als vor der Pandemie die damalige Regierung von CDU/CSU und SPD über die Einführung der Grundrente stritt, war das Hauptgegenargument, dass 1,3 Milliarden Euro pro Jahr kaum zu stemmen sein werden.

Eine Zahl, die lächerlich wirkt angesichts der Summen, mit denen derzeit jongliert wird.

Corona-Krise und Ukraine-Krieg belasten die Staatskasse

Wirschaftsredakteur Tobias Kisling.
Wirschaftsredakteur Tobias Kisling. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Die Corona-Kosten haben die Staatsschulden um über 111 Milliarden Euro steigen lassen. Auch die Kassen der Bundesagentur für Arbeit sind längst leer, das Kurzarbeitergeld wird vom Staat finanziert. Jetzt kommt auch noch der Ukraine-Krieg. 100 Milliarden Euro fließen mal eben in einen Schattenhaushalt, um die Bundeswehr fit zu machen. Hinzu kommen die Entlastungen. Der diskutierte Tankrabatt von 40 Cent würde pro Monat zwei Milliarden Euro kosten.

Noch kann der Bund solche Schulden machen. Ab dem kommenden Jahr aber gilt die Schuldenbremse wieder.

Wirtschaftlich wären mehr Investitionen zielführend

Wirtschaftlich gesehen ist das Festhalten an der Schuldenbremse in Zeiten der Null- und Negativzinsen unsinnig. Die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung, der Wandel hin zur Klimaneutralität – all das kostet Geld, kann aber langfristig ein Standortvorteil sein.

Wer investiert, darf auf Folgeinvestitionen und Wachstum hoffen. Zumal der Staat dank negativer Zinsen auf Staatsanleihen auch noch Geld dafür bekommt, wenn er sich verschuldet. Schon vor der Pandemie hatten Gewerkschaften, die Industrie und Ökonomen davor gewarnt, dass Deutschland zu wenig investiert.

Gerade nach der Pandemie und angesichts der Herausforderungen, vor der die Wirtschaft mit seiner zu starken Abhängigkeit von russischer Energie steht, wären Investitionen angebracht.

Politisch ist die Schuldenbremse eine Notwendigkeit

Politisch aber ist die Schuldenbremse eine Notwendigkeit – nicht nur, weil sie im Grundgesetz verankert ist und nötige Mehrheiten für eine entsprechende Änderung derzeit nicht in Sicht sind. Politik handelt nicht immer in langfristigen Zyklen, die aus wirtschaftlicher Sicht notwendig sind. Sie handelt – insbesondere vor Wahlen – gerne mit kurzfristigen, oft teuren Lösungen.

Das zeigt auch die aktuelle Phase. Zukunftsgerichtet sind viele Investitionen derzeit nicht. Das macht Entlastungen nicht falsch, im Gegenteil. Sie sind an vielen Stellen notwendig. Die Schuldenbremse aber wird die Politik dazu zwingen, ab dem kommenden Jahr Alternativen aufzuzeigen, Einsparungen an anderen Stellen vorzunehmen. Will die Ampelkoalition ihre selbst gesteckten Ziele erreichen, wird sie daher den Mut zu längst überfälligen Reformen brauchen.