Wien. Am Samstagabend gab Österreichs Kanzler Sebastian Kurz seinen Rücktritt bekannt. Warum ihm diese Entscheidung in die Karten spielt.

Sebastian Kurz als Kanzler Österreichs ist Geschichte . Zunächst einmal. Am Samstagabend trat Kurz als Bundeskanzler zurück. Er setze diesen Schritt, um die Stabilität des Landes zu wahren, so der scheidende Kanzler in einer eher knapp gehaltenen Ansprache zur Primetime. ÖVP-Chef will er allerdings bleiben. Und auch als Clubchef der ÖVP im Nationalrat wird weiter die österreichische Innenpolitik maßgeblich mitbestimmen. Es ist also nicht mehr als ein Teilrücktritt, den Kurz vollzogen hat. Die Fäden werden weiterhin bei ihm zusammenlaufen. Vor allem aber auch: Mandatare im Parlament sind immun.

Im Kanzleramt nachfolgen wird ihm wohl Alexander Schallenberg, bisher Außenminister, Karrierediplomat und Kurz-treuer Parteisoldat. Schallenberg ist auch der einzige Minister, der bereits der Expertenregierung nach dem Fall der ÖVP-FPÖ-Regierung nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos angehört hatte. Er, so Kurz, habe dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen Schallenberg als Kanzler vorgeschlagen. Ihm haftet eher der Ruf eines Beamten als eines Gestalters an. Ob er als Kanzler neben Kurz als Clubchef und Parteichef ein eigenes Profil entwickeln wird können, ist also die große Frage.

Mit dem Rücktritt Kurz' ist allerdings einmal Druck aus der sich seit Mittwoch nahezu im Stundentakt zuspitzenden Regierungskrise in Österreich.

Razzia: Die Vorwürfe gegen den abgetretenen Kanzler

Am Mittwoch hatte die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft das Bundeskanzleramt, das Finanzministerium, die ÖVP-Parteizentrale sowie einige Privatadressen von Kurz-Vertrauten durchsucht. Der begründete Verdacht: Kurz und Vertraute sollen seit April 2016 gezielt die Medienberichterstattung über den damaligen Außenminister Kurz beeinflusst und so den Weg für dessen Machtübernahme in der ÖVP bereitet haben.

Auch Studie und Umfragen sollen dazu in Auftrag gegeben und durchwegs geschönt worden sein. Zudem soll es Abmachungen mit dem Medienhaus Österreich von Herausgeber Wolfgang Fellner gegeben haben. Besagte Studien wiederum sollen aus Mitteln des Finanzministeriums abgerechnet und als ministeriumsrelevante Studien abgerechnet worden sein. Der Staatsanwaltschaft vorliegende Chatprotokolle legen nahe, dass Kurz in diese Praktiken involviert war.

Kurz weist Anschuldigungen weiter von sich

Er selbst hat das aber immer zurückgewiesen. Allerdings ist die Indizienlage erdrückend. Zuletzt hatte sich Kurz auch für einige derbe Formulierungen in diesen Chats entschuldigt und gemeint, diese seien in der Hitze des Gefechts getätigt worden. Eine Beteiligung an Absprachen oder an der Manipulation der Medienberichterstattung hatte er auch bei seinem Rücktritt am Samstag in Abrede gestellt. Er sei unschuldig.

Allerdings war der seit Mittwoch eskalierende Fall nur einer in einer ganzen Serie von Skandalen um die Beeinflussung von Justiz, Falschaussagen oder Freunderlwirtschaft innerhalb der Kurz-Clique. Der jüngste Skandal allerdings rührt an der Wurzel von Kurz' politischer Karriere. Hatten er und seine Leute doch die Übernahme der ÖVP vor allem auch mit der Popularität Kurz' argumentiert und das mit Umfragen gedeckt.

Die große Frage ist jetzt also: Wie werden die Grünen reagieren. Sie hatten seit Freitag offen den Rücktritt Kurz' zur Bedingung für den Fortbestand der Koalition gemacht und mit den anderen Parteien im Nationalrat auch Gespräche geführt. Für Dienstag ist nach wie vor eine Sondersitzung des Nationalrates angesetzt. Kerninhalt war bisher: Eine Vertrauensabstimmung über Kurz. Die Frage ist also nun, ob der Teilrücktritt Kurz' den Grünen reicht und ob sie Schallenberg zutrauen, Profil zu zeigen. Vor allem aber wird Kurz Immunität genießen. Strafermittlungen gegen ihn darf es demnach auch nicht mehr geben.