Dresden. Die Dresdner gedenken am Donnerstag der Zerstörung ihrer Stadt vor 75 Jahren – im Zentrum soll die Versöhnung stehen. Das ist geplant.

Die Stadt Dresden hat am Donnerstag begonnen, ihrer Zerstörung vor 75 Jahren zu gedenken – und will sich dabei erneut zu Frieden und Versöhnung bekennen. Zentraler Punkt des Gedenkens ist eine Menschenkette, die Tausende Dresdner und Gäste am späten Nachmittag auf beiden Seiten der Elbe vereinen soll. In diesem Jahr reihen sich unter anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Herzog von Kent ein.

Mit der Kette, zu der in den vergangenen Jahren bis zu 12.000 Leute strömten, möchten die Dresdner einerseits an die Opfer der Luftangriffe erinnern. Zum anderen wehren sich die Bürger gegen einen Missbrauch des Dresden-Gedenkens durch Rechtsextreme und andere Revisionisten. Es sind zahlreiche weitere Veranstaltungen geplant.

So gedenken die Dresdner und ihre Gäste der Bombardierung und Zerstörung ihrer Stadt:

  • 10.00 Uhr: Gedenkveranstaltung auf dem Heidefriedhof
  • 11.00 Uhr: Kranzniederlegung auf dem Alten Annenfriedhof mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)
  • 15.15 Uhr: Zentrale Gedenkfeier im Kulturpalast. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede
  • 17.00 Uhr: Tausende Dresdner beginnen auf beiden Seiten der Elbe eine Menschenkette zu bilden, um damit ein Zeichen für Frieden und Toleranz zu setzen
  • 17.30 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entzündet Kerzen im Kerzenbeet vor der Frauenkirche und besichtigt die Frauenkirche
  • 18.00 Uhr: Zusammenschluss der Menschenkette
  • 19.00 Uhr: Podiumsdiskussion „Nur ein Wimpernschlag in der Geschichte? – Der 13. Februar in Dresden“ im Albertinum
  • 21.30 Uhr: Gedenkveranstaltung des AfD-Kreisverbandes Dresden auf dem Altmarkt. Parallel dazu läuft als Gegenprotest die Veranstaltung „Dresden war nicht unschuldig“
  • 21.45 Uhr: Die Glocken aller Dresdner Kirchen läuten – vor 75 Jahren begann zu diesem Zeitpunkt die erste Angriffswelle der Alliierten

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilte zum Jahrestag mit: „Es ist wichtig, dass wir uns erinnern, weil sich Geschichte dann nicht wiederholt, wenn wir sie kennen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Wir alle tragen Verantwortung für unsere Demokratie und ein friedliches Miteinander.“ Kretschmer nahm an einer Kranzniederlegung auf dem Alten Annenfriedhof teil.

Dresden-Gedenken – Oberbürgermeister warnt vor Missbrauch

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) warnte vor dem Missbrauch des Gedenkens. „Der 13. Februar fordert uns alle heraus, die wir für Menschlichkeit, Friedfertigkeit und Demokratie einstehen“, sagte er. Die Debatte um das Gedenken dürfe nicht den Rändern überlassen werden, sondern müsse aus der Mitte der Gesellschaft kommen.

Am 13. Februar 1945 und in den Tagen danach hatten britische und amerikanische Bomber das Zentrum der Elbestadt in Schutt und Asche gelegt. Bis zu 25.000 Menschen starben. Zunächst warfen 773 britische Bomber riesige Mengen an Sprengbomben ab. Darauf folgten etwa 650.000 Brandbomben, die einen Feuersturm entfachten. Die Innenstadt glich einer Wüste aus Ruinen.

Dresdens Altstadt nach der ersten Angriffswelle am 13. Februar 1945. Das Foto wurde vom Dach des Rathauses aufgenommen.
Dresdens Altstadt nach der ersten Angriffswelle am 13. Februar 1945. Das Foto wurde vom Dach des Rathauses aufgenommen. © AFP | Handout

Jahrestag der Bombardierung wird von Rechten instrumentalisiert

Am 14. und 15. Februar folgten Angriffe der US-Amerikaner. „Die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Toten lagen noch Tage auf der Straße oder in den Trümmern, ehe die Leichenberge zur Verhinderung von Seuchen verbrannt werden konnten“, heißt es in einer Dokumentation des Deutschen Historischen Museums.

Die Luftangriffe werden regelmäßig von Rechtsextremen instrumentalisiert, um die Kriegsschuld Deutschlands zu relativieren. Unter Völkerrechtlern und Historikern, auch in Großbritannien, sind die Bombardements umstritten.

Jens Wehner, Kurator im Militärhistorischen Museum Dresden, sagt: „Die Bombardierung Dresdens war kein singuläres Ereignis.“
Jens Wehner, Kurator im Militärhistorischen Museum Dresden, sagt: „Die Bombardierung Dresdens war kein singuläres Ereignis.“ © dpa | Robert Michael

Nach Ansicht des Luftkriegsforschers Jens Wehner können die Luftangriffe auf Dresden nicht ohne den Kontext des Kriegsverlaufs betrachtet werden: „Wenn Dresden ein Kriegsverbrechen war, dann waren das auch viele andere Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg – ob nun von Deutschen oder Alliierten begangen. Egal, wie man diese Bombardierung bewertet: Dresden taugt nicht zur Umdeutung des Krieges.“

Historiker nach fünf Jahren Forschung: Es waren nicht mehr als 25.000 Tote

Streit gibt es auch immer wieder über die Zahl der Opfer. Mitunter ist die Rede von bis zu 500.000 oder sogar einer Million Menschen, die bei den Angriffen gestorben sein sollen. Zuletzt teilte unter anderem AfD-Co-Chef Tino Chrupalla mit: „Ich gehe von etwa 100.000 Opfern aus.“ Doch dafür gibt es keine Belege. Im Gegenteil.

Im Jahr 2004 setzte der damalige Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg eine Historikerkommission ein. Vor allem Rechtsextremisten hatten die Angriffe immer wieder als beispiellos hingestellt und somit versucht, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren.

In ihrem fast 100 Seiten starken Bericht kam die Historikerkommission nach mehr als fünf Jahren Forschung zu dem Schluss, dass bei den Angriffen nicht mehr als 25.000 Menschen ums Leben kamen.

Experten widerlegen nationalistische Mythen von weit höherer Opferzahl

Die Experten untersuchten unter anderem Friedhofsunterlagen nach Angaben zu den Todesopfern und werteten mehr als 1300 Aussagen von Zeitzeugen aus. Außerdem gingen die Forscher der Behauptung nach, Tausende Menschen seien im Flammeninferno spurlos verbrannt.

Nach der Konsultation von Experten aus Brandschutz, Rechtsmedizin, Archäologie und Architektur kamen die Historiker aber zu dem Schluss, dass das spurlose Verschwinden einer größeren Zahl von Menschen unmöglich war.

Ex-Innenminister warnt: „Dieses Völkische macht mir Angst“

Der aus Dresden stammende Ex-Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhart Baum äußerte sich besorgt über nationalistische Tendenzen in seiner Heimatstadt. „Dieses Völkische, dieses arrogant Nationalistische, diese Ausgrenzung Anderer, das macht mir wirklich Angst“, sagte er vor den Gedenkfeiern. „Es bestürzt mich, dass Dresden heute doch starke Elemente hat, die mich an das völkische Gedankengut erinnern, das mir damals eingetrichtert wurde.“

Es gebe in Dresden viele wirklich demokratisch gesinnte Menschen, sagte Baum, der die Bombennacht als 13-Jähriger erlebte. Aber es gebe auch speziell in dieser Stadt „eine bestimmte Opfermentalität, die ist absolut falsch“. Viele Städte seien zerstört worden – „es war ein verbrecherischer Angriffskrieg“.

Am 27. Januar jährte sich auch der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz zum 75. Mal, ein Gedenktag erinnerte an die Opfer. Die Gedenkstätte Buchenwald hatte Mitgliedern der AfD Hausverbot zum Gedenktag erteilt, auch in den vergangenen Jahren war die Partei nicht willkommen.

(dpa/max)