Berlin. Bahnfahren soll günstiger werden, damit mehr Menschen vom Auto oder Flugzeug umsteigen. Wie Verkehrsminister Scheuer das schaffen will.

Wer längere Strecken innerhalb Deutschlands reist, steht oft vor einem Gewissenskonflikt: Schlägt man beim Billigflieger zu oder tut man etwas für seinen ökologischen Fußabdruck und kauft das umweltfreundlichere, aber nicht selten teurere Bahn-Ticket?

Diese Entscheidung könnte bald leichter fallen. Denn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will Bahn-Fahrkarten billiger machen – mithilfe einer Steuersenkung. Um Zugfahren attraktiver zu machen, „brauchen wir auch im Fernverkehr der Bahn die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Tickets von 19 auf sieben Prozent“, sagte Scheuer der „Bild“-Zeitung.

Deutsche Bahn: Ticketpreise sollen sinken

Dadurch könnten Bahnfahrer im Fernverkehr um bis zu 400 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. „Wem es mit dem Klimaschutz und dem Umstieg von Auto oder Flugzeug auf die Bahn ernst ist, der muss bei der Steuer ansetzen“, so der CSU-Politiker. Die Deutsche Bahn, die jährlich 148 Millionen Fahrgäste befördert, kommentierte den Vorschlag nicht.

Wie unpünktlich ist die Deutsche Bahn wirklich?

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    Die Forderung nach einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Fernverkehrstickets hatte es in der Vergangenheit immer wieder seitens der Grünen gegeben. Im öffentlichen Nahverkehr gilt bereits der geringere Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, der unter anderem auch für Lebensmittel oder Bücher erhoben wird.

    Konkret wäre damit zum Beispiel ein Ticket von Berlin nach Hamburg, das im Flexpreis 79 Euro kostet, mit günstigerem Steuersatz für 71,04 Euro zu haben – also 7,96 Euro billiger. Mit der Bahncard 25 würde das Ticket 53,28 Euro kosten – und damit 5,97 Euro weniger. Wer eine Bahncard 50 besitzt, würde dafür 35,52 Euro zahlen, also 5,98 Euro weniger.

    30 Prozent weniger Flüge auf Strecke Berlin-München

    Statt zu Verboten, Tempolimits oder dem Verteuern von Mobilität zu greifen, müssten Bahnverbindungen noch attraktiver gemacht werden, sagte Scheuer. Zwischen Hamburg und Berlin fliege quasi niemand mehr, weil die Bahnverbindung gut sei.

    Eine positive Bilanz zieht der Minister zudem für die ICE-Strecke Berlin-München, wo sich die Fahrgastzahlen verdoppelt hätten. „Wir haben auf dieser Strecke schon 30 Prozent der Passagiere vom Inlandsflug zum Umstieg auf die Schiene bekommen.“

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    Grüne loben Scheuers Vorstoß, fordern aber noch mehr

    Der Vorschlag stößt insbesondere bei der Eisenbahn-Gewerkschaft EVG, den Grünen und Verbraucherschutzverbänden auf große Zustimmung. „Die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind immer noch zulasten der Schiene verzerrt“, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Die Mehrwertsteuersenkung auf Fernverkehrstickets sei „ein erster richtiger Schritt, dem aber weitere folgen müssen“.

    Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, freut sich, „dass der Minister unsere Forderung aufgreift. Es darf nicht sein, dass das umweltfreundlichste Verkehrsmittel derzeit die höchste Steuerlast trägt“. Allerdings reiche eine steuerliche Entlastung nicht aus, meint Kühn.

    In die Bahn müsste grundsätzlich mehr Geld investiert werden, wie dies im Autoverkehr seit Jahrzehnten üblich sei, so Kühn: „Seit 2017 wurde der Etat für den Straßenbau um 45 Prozent erhöht, für die Schiene nur um vier Prozent.“

    Günstigere Bahn-Tickets: Kommunen unterstützen Scheuers Vorschlag

    Der Fahrgastverband Pro Bahn bezeichnet „ein paar Prozent weniger Steuern“ als „ganz nett“, doch dies reiche nicht, um die Pünktlichkeit und den Service bei der Bahn nachhaltig zu verbessern, kritisiert der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann.

    Auch beim Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, kommt die Idee gut an: „Gerade wenn wir die Bahn attraktiver machen wollen, muss sie im Verhältnis zu den anderen Verkehrsmitteln insbesondere dem klimaschädlicheren Flugzeug preislich konkurrenzfähig bleiben.“

    Bahn zahlt Stromsteuer und EEG-Umlage, Airlines zahlen nichts für Kerosin

    Der Fernverkehr der Bahn wird im Vergleich zu Flugreisen in Deutschland benachteiligt. Zwar müssen sowohl Airlines und Bahn im Inland Mehrwertsteuer für Tickets erheben, doch im grenzüberschreitenden Verkehr wird nur die Bahn damit belastet.

    Zudem zahlen Fluggesellschaften für Kerosin keine Steuern, während die Bahn sowohl Stromsteuer als auch EEG-Umlage zahlen muss. Im internationalen Flugverkehr werden gar keine Steuern erhoben.

    Keine Steuern auf Bahn-Tickets in Dänemark, Irland und Großbritannien

    Auch im europäischen Vergleich zählt Deutschland bei der Belastung für die Bahn zu den Hochsteuerländern. Nur osteuropäische EU-Länder verlangen höhere Steuern – Spitzenreiter ist Ungarn mit 27 Prozent. Dänemark, Irland und Großbritannien erheben sogar keinerlei Abgaben auf die Tickets.

    Noch ist unklar, ob Scheuers Idee eine Chance auf Realisierung hat. Das Bundesfinanzministerium zeigte sich zwar offen für eine Debatte. Ob und wann der Rabatt kommen könnte, blieb aber zunächst unklar. Offen war auch, ob und wie die Mindereinnahmen des Staats ausgeglichen werden und wie viele Treibhausgase damit eingespart werden sollen.

    Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, bezeichnete den Vorstoß jedenfalls als „guten Ansatz“. Allerdings müsse sichergestellt werden, „dass durch die Steuerermäßigung tatsächlich auch die Ticketpreise sinken und die Entlastung nicht bei der Bahn verschwindet“.

    Andreas Scheuer: „Ich mache Klimaschutz konkret“

    Kritik der Opposition an Scheuer, er bremse beim Thema Klimaschutz, wies der Minister zurück. „Das ist Quatsch! Ich werde zum Beispiel jetzt ein Elektromobilitäts-Gesetzespaket vorlegen, an dem sich alle Ressorts beteiligen können. Ich mache Klimaschutz konkret.“

    Scheuer verwies auf die Verantwortung anderer Ministerien. So müsse etwa das Justizministerium ein Wohnungseigentumsgesetz vorlegen, das Regelungen zu

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    Deutschland muss beim Klimaschutz mehr machen

    Die Zeit drängt, weil die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele zu verfehlen droht. Bis 2030 muss Deutschland seine Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken:

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    Zuletzt hatte sich die Klimakommission mit dieser Frage beschäftigt, blieb dabei aber Antworten schuldig –

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    Nicht einigen konnte man sich etwa auf eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen.

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    Mehr Druck macht die Politik bei der Bahn.

    Vorschläge, wie das gehen soll, machte das Unternehmen im Januar:

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    (Karsten Kammholz, Tobias Kiesling, Alexander Kohnen und Beate Kranz, mit dpa)