Berlin. Bayern prescht vor: Im Ringen um die Eindämmung der Corona-Pandemie schränkt der Freistaat die Bewegungsfreiheit seiner Bürger ein. Auch andere Ländern ziehen die Zügel an. Ergebnis: ein Flickenteppich. Wird am Sonntag eine gemeinsamer Kurs gefunden?

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus schränken mehrere Bundesländer das öffentliche Leben noch einmal drastisch ein. Am weitesten gehen dabei Bayern und das Saarland:

Dort treten an diesem Samstag Ausgangsbeschränkungen in Kraft, die Bürger dürfen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen.

Auch Länder wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen und Hamburg verschärfen ihren Kurs. Treffen auch kleinerer Gruppen sind vielerorts nun verboten, Restaurants werden für Gäste geschlossen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntag mit den Bundesländern über die weiteren Schritte beraten.

"Wir sperren Bayern nicht zu, wir sperren Bayern nicht ein", betonte Ministerpräsident Markus Söder in München. Aber man fahre das öffentliche Leben im Freistaat nahezu vollständig herunter. Dies sei nach Meinung aller Experten die einzige Möglichkeit, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

In Bayern ist das Verlassen der Wohnung künftig nur noch aus guten Gründen erlaubt. Dazu zählen unter anderem der Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche, Besuche von Lebenspartnern, aber auch Sport und Bewegung an der frischen Luft - dies aber nur alleine oder mit den Personen, mit denen man zusammenlebt. Auch die Gastronomie soll geschlossen werden, ein Abverkauf und die Lieferung von Speisen bleiben aber weiter möglich.

Eine ähnliche Regelung gilt ab Samstag auch im Saarland. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) betonte, er hätte ein gemeinsames Vorgehen mit anderen Bundesländern bevorzugt. Das Saarland stehe aber an der Grenze zum ostfranzösischen Corona-Risikogebiet Grand Est "vor einer besonders schwierigen Herausforderung". Zudem gebe es "leider nach wie vor zu viele Menschen, die unsere Anordnungen nicht ernst nehmen".

In Baden-Württemberg sind Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen mit mehr als drei Personen künftig nicht mehr erlaubt, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte. Ausnahmen gebe es für Familien und Paare. Man müsse auf die Schwächsten in der Gesellschaft Rücksicht nehmen, das seien die chronisch Kranken und die Älteren.

In Rheinland-Pfalz werden alle Gaststätten geschlossen und Versammlungen von mehr als fünf Menschen untersagt. Als Grund nannte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), dass sich nicht alle Menschen an die seit Mittwoch geltenden Maßnahmen gehalten hätten. "Ich weiß, das sind harte Einschnitte", sagte Dreyer. "Dieses Wochenende ist sehr entscheidend, wir werden es ganz genau beobachten."

Auch Hessen will nach den Worten von Regierungschef Volker Bouffier (CDU) vorerst auf Ausgangssperren verzichten. Die Landesregierung kündigte aber an, Versammlungen ebenfalls auf maximal fünf Personen zu beschränken. Bei Verstößen könnten Bußgelder von 100 bis 300 Euro verhängt werden, sagte Bouffier.

In Hamburg werden Ansammlungen von mehr als sechs Personen untersagt, in Köln sogar Gruppen von mehr als zwei Personen. In Berlin waren am Freitag zunächst keine Verschärfungen abzusehen. Am Abend sollte es aber eine Telefonkonferenz des Senats geben.

Eine bundesweite Ausgangssperre versucht die Bundesregierung weiter zu vermeiden. Regierungssprecher Steffen Seibert ermahnte die Bürger eindringlich, sich nicht mehr in Gruppen zu treffen. Man solle einfach nicht in einer Menschentraube im Park stehen oder eng gedrängt im Café sitzen. Andernfalls seien möglicherweise weitere Schritte nötig.

Die weitreichenden Entscheidungen in Bayern waren Seibert zunächst nicht bekannt gewesen. Dies zeige sicherlich, dass die Absprache und die Koordination am Sonntag "besonders wichtig ist", sagte er.

Über weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens wird Merkel am Sonntag in einer Schaltkonferenz mit den Bundesländern beraten. Dabei werde die Wirkung der bisherigen Maßnahmen schonungslos analysiert, kündigte Seibert an. Zugleich gelte es, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. "Wir handeln als Demokratie", sagte er. "Das gilt jetzt, und das wird auch weiter gelten." Zur Frage nach einem Notstand sagte Seibert: "Der Begriff ist nicht gefallen, und das hat Gründe."

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, sagte, es wäre "unseriös", jetzt schon darüber zu spekulieren, welche möglichen Maßnahmen in zwei oder drei Tagen noch anstehen könnten. Alle Anordnungen müssten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.

Zur Klärung der verschiedenen Begriffe in der öffentlichen Diskussion - wie Ausgangssperre und Betretungsverbot - sagte er, es gebe keine einheitlichen, gesetzlich gefassten Begriffe für die unterschiedlichen Auflagen. Eine öffentliche Anordnung müsse aber verständlich und so beschrieben sein, dass sie für alle eindeutig zu verstehen sei.

Eine Ausgangssperre bleibt für Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) "wirklich das allerletzte Mittel". Schon jetzt seien zahlreiche Grundrechte, wie die Bewegungsfreiheit und die Religionsfreiheit eingeschränkt worden, sagte Laschet am Freitag in einer Bürger-Fragestunde des Radiosenders WDR 2. "Der Staat muss sorgsam überlegen, wie weit kann er gehen."

Sachsen will Menschenansammlungen in Zeiten der Corona-Krise unter Strafe stellen. Dies solle mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden können, sagte Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) in einem Videobriefing. "Das ist eine harte Ansage. Aber sie ist notwendig."