Berlin . Der Druck wurde zu groß. Kanzler Scholz gab dem Drängen nach, Russland zum Teil vom Finanzsystem Swift abzuklemmen. Wie es dazu kam.

Also doch, nun schließt die Bundesregierung das Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift in die Sanktionen gegen Russland ein. Am späten Samstagabend hatten sich die USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, die EU-Kommission und Deutschland in einer Videokonferenz auf einen Teilausschluss Russlands von Swift geeinigt.

Die Strafmaßnahme ergänzt die bereits beschlossenen Sanktionen. Die Entscheidung – am Samstag am späten Abend gefallen – ist kein radikaler Kurswechsel wie bei den Waffenlieferungen für die Ukraine, aber doch eine Korrektur. Wie kam es zum Sinneswandel?

Der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war sehr groß geworden, daheim und international. Noch beim Sondergipfel der EU am Donnerstag hatten sich nach Angaben von Diplomaten neben Deutschland auch Italien und Ungarn, Zypern und Österreich skeptisch gezeigt.

Swift: Frankreich für "finanzielle Atombombe"

Dann kippten die Bedenkenträger der Reihe nach um. Die letzten Dominosteine: Ungarn und Deutschland. An der Bundesregierung allein sollte die Sanktion indes nicht scheitern. Darauf hatte daheim insbesondere die CDU/CSU-Opposition gepocht.

Auch in seiner eigenen Partei, in der SPD, hätte Scholz kein leichtes Spiel gehabt. Und so räumte er in Abstimmung mit den internationalen Partnern seine Position ab; rechtzeitig zu seiner Regierungserklärung am Sonntag im Bundestag.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wusste genau, bei wem er sich zu bedanken hatte. Er würdigte in einem Telefonat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowohl Waffenlieferungen als auch das Umdenken bei Swift.

Sein Land sei bereit, die „finanzielle Atombombe“ zu zünden, hatte der französische Finanzminister Bruno Le Maire erklärt. Deutschland und Frankreich sind die Taktgeber in der Union und meist eng aufeinander abgestimmt. Bewegt sich Frankreich, bewegt sich Deutschland.

Swift – in Wahrheit nur ein Teilausschluss

Den gesamten Samstag lang ging es in Berlin nicht mehr um das "Ob", sondern um das "Wie", wie ein Tweet von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verrät: "Wir arbeiten daran, Russland so vom Swift-System abzukoppeln, dass Kollateralschäden möglichst klein bleiben."

Was der Politiker der FDP meinte: Der Schaden für Deutschland sollte minimiert werden. Vor allem darf man annehmen, dass die Regierung auf jeden Fall an den Importen von Kohle, Gas und Erdöl festhalten wollte.

Bei einem vollständigen Ausschluss aus Swift wäre man mit dem Energielieferanten schwer ins Geschäft gekommen. Wie hätte man noch Zahlungen abwickeln können? Nicht zuletzt: Wie sollte Russland seine Staatsschulden noch bedienen?

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Tatsächlich wird Putins Regime nicht vollständig von Swift abgeschnitten, sondern nur bestimmte Finanzinstitute; insbesondere die russischen Banken, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind. Weitere könnten hinzukommen.

Entscheidend ist, dass der Handel mit dem Westen weitreichend eingeschränkt wird. "Was wir brauchen, ist eine gezielte und funktionale Einschränkung von Swift“, erläuterten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide: Grüne).

Die EU führt derzeit Waren im Wert von 80 Milliarden Euro im Jahr nach Russland aus. Klar war, dass sie bei Sanktionen mehr (Eigen)Schaden zu befürchten hatte als die USA. Die Amerikaner sind zufrieden. Ein hoher Beamter des Weißen Hauses sagte in Washington, "höchstwahrscheinlich werden die meisten Banken der Welt ihre Transaktionen mit den russischen Banken, die aus Swift ausgeschlossen werden, ganz einstellen".

Vollständiger Ausschluss von Swift jetzt leichter

Hinzu kommt, dass der Westen die Möglichkeiten der russischen Zentralbank weiter einschränkt, mit internationalen Finanzgeschäften den Kurs des Rubels zu stützen. Dies soll verhindern, dass Russland seine staatlichen Rücklagen für die Finanzierung des Krieges nutzen kann.

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"Dafür werden wir das Vermögen der russischen Zentralbank blockieren", kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. "Ihre Transaktionen werden eingefroren. Und wir nehmen der Zentralbank die Möglichkeit, ihr Guthaben international einzusetzen."

Wichtig ist die psychologische Wirkung: Nach dem Teilausschluss dürfte es politisch weniger Überwindung kosten, Russland komplett von Swift abzuklemmen.

Dieser Schritt ist schon in der Abmachung von Samstagabend angelegt: "Die Länder betonten ihre Bereitschaft, weitere Maßnahmen zu ergreifen, sollte Russland seinen Angriff gegen die Ukraine und damit gegen die europäische Friedensordnung nicht beenden."

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen