Berlin/Washington. Der US-Präsident fachte den Sturm auf das Kapitol in den sozialen Netzwerke an. Die Internet-Riesen blockieren sein Konto

Als seine Anhänger gerade Polizeisperren durchbrochen hatten, Mauern erstürmt und gewaltsam die Sitzungsräume des Kapitol besetzt hatten, setzt der US-Präsident noch eine Botschaft ab: „Wir lieben euch. Ihr seid ganz besonders.“ Es ist ein Video, das Donald Trump über die sozialen Netzwerke, allen voran den Kurznachrichtendienst Twitter, verbreitet.

Der US-Präsident sagt in dem Video auch: „Geht nach Hause!“ Trump wolle keine Gewalt. Doch da ist es längst zu spät. Und auch Twitter reicht es in diesem Moment.

Mit einem großen digitalen Banner überdeckt Twitter das Video von Trump. Der Tweet könne nicht geteilt werden, denn er befördere das „Risiko der Gewalt“. Kurz darauf sperrt das Unternehmen das Konto des US-Präsidenten für zwölf Stunden. Weitere Beiträge, in denen Trump in den Momenten der Stürmung des Parlamentsgebäudes erneut ohne Belege vom Wahlbetrug fabulierte, blockt die Firma ebenfalls.

Könnte Donald Trumps Twitter-Account dauerthaft gesperrt werden?

Facebook wird den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump bis auf Weiteres sperren. Sein Facebook- und auch sein Instagram-Account sollen mindestens für zwei Wochen beziehungsweise bis zur Machtübergabe an Nachfolger Joe Biden blockiert bleiben, kündigte Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Donnerstag an. Zunächst war Trump nur für 24 Stunden von Facebook gesperrt worden.

Angesichts der Ausschreitungen am Kapitol befürchtet auch Facebook, dass Trump mit seinen Beiträgen die Menge weiter zu Gewalt animieren könnte. „Das ist eine Notsituation, und wir unternehmen entsprechende Notfallmaßnahmen“, teilt Facebook-Sicherheitschef Guy Rosen mit. Das Video des Präsidenten sei entfernt worden, weil es eher zum „Risiko der Gewalt beitrage“ als diese zu verhindern.

Ein Twitter-Sprecher kündigte zudem an, Trumps Konto dauerhaft zu sperren, würde er weiterhin gegen Regeln des Online-Netzwerks verstoßen.

Twitter und Facebook kappten Trumps Netzwerk zunächst nur in den heiklen Stunden, in denen unklar war, wie die Besetzung des Parlaments ausgeht. Kritiker sagen, diese Schritte kamen viel zu spät. Im Kapitol brauchten Sicherheitskräfte am Mittwoch mehrere Stunden, um die gewaltbereiten Anhänger des abgewählten Präsidenten aus dem Gebäude zu drängen, es gab sogar Tote.

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Soziale Netzwerke gehören zu Trumps Machtstrategie

Fast 90 Millionen Nutzer folgen Trump auf Twitter. Der Dienst ist sein eigener Nachrichtenkanal. Die sozialen Netzwerke sind Teil der Machtstrategie von Donald Trump, wichtiger als Pressekonferenzen, meist mit größeren Reichweiten als seine öffentlichen Reden.

Trump twittert nicht nur über seine Entscheidungen als Staatsoberhaupt, immer wieder hetzt er gegen Minderheiten, wettert gegen Journalisten — und verbreitet Lügen. Bis weit in extrem rechte Milieus in Deutschland teilen Anhänger von Trump dessen Tweets, nutzen sie für ihre Propaganda.

Bereits im Sommer hatte Twitter Kanäle des US-Präsidenten vorübergehend gesperrt, damals hat Trump Falschinformationen über das Corona-Virus im Netz verbreitet. Seit der Wahlnacht im November hatte Twitter begonnen, Beiträge des Präsidenten zum Ausgang des Urnengangs zu markieren. „Wir haben Michigan mit Abstand gewonnen“, twitterte Trump. Und der Kurznachrichtendienst korrigierte direkt für alle Nutzer sichtbar darunter: „Die Wahlleiter haben Joe Biden als Gewinner der US-Wahl bestätigt.“ Eines von etlichen Beispielen.

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Haben Twitter, Facebook und Co. zu spät reagiert?

Und doch monieren Fachleute: Twitter, Facebook und Co. haben der Manipulationsstrategie von Trump viel zu lange nur zugeschaut, viel zu zaghaft Beiträge als offensichtliche Falschinformationen markiert, Konten gesperrt. Die USA hätten nicht nur ein Durchbrechen am Kapitol erlebt, sondern auch ein Durchbrechen der sozialen Medien durch den Präsidenten, sagt Jennifer Grygiel der Nachrichtenagentur AP. Grygiel ist Professorin für Kommunikation an der Syracuse-Universität.

Expertinnen wie sie fordern strikteres Vorgehen gegen Hasskommentare und Desinformation in den sozialen Netzwerken. Auch in Deutschland kritisieren etwa Minderheitenverbände trotz verschiedener Maßnahmen gegen Hetze durch die Unternehmen, dass Facebook und Twitter noch immer zu lasch gegen menschenverachtende Beiträge durchgreifen würden.

Die versuchte Stürmung des Bundestagsgebäudes durch extreme Rechte und Corona-Leugner im Sommer konnten Anhänger über soziale Medien schnell verbreiten und als „Sieg“ feiern. Vor allem gegen das Tempo, mit denen sich Radikale vernetzen, sind die IT-Firmen oft machtlos. Auch interessant: Zentrum der US-Politik: Das ist das Kapitol in Washington

Trumps Twitter-Account ist wieder aktiv

In den Stunden nach der Besetzung des Kapitals in Washington löschen Trump oder eine Person aus seinem Team die angemahnten Beiträge auf Twitter. „Dieser Tweet ist nicht mehr verfügbar“, heißt es nun. Doch das Konto des Präsidenten ist wieder aktiv. Er bitte jeden, friedlich zu bleiben. So lautet am Donnerstagnachmittag Trumps letzter Beitrag auf Twitter.

Auf der Videoplattform Youtube ist Trumps Botschaft nach dem gewaltsamen Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol jedoch weiterhin zu finden. „Ich weiß, ihr empfindet Schmerz. Wir hatten eine Wahl, die uns gestohlen wurde.“ Aber alle müssten nun nach Hause gehen. „Wir brauchen Frieden.“ Viele seiner Anhänger waren da längst im Rausch der Gewalt.