Washington. Die Demokraten wollen Trump durch ein zweites Amtsenthebungsverfahren für immer entmachten. Doch dafür brauchen sie die Republikaner.

Sie wollen ihn nicht nur auf den letzten Metern seiner Amtszeit abfangen und aus dem Verkehr ziehen. Sie wollen auch sicherstellen, dass er politisch nie mehr wiederkommen kann - mit diesen Leitlinien haben Amerikas Demokraten am Montag die Weichen für die von ihnen mit Nachdruck geforderte Entmachtung von Präsident Donald Trump gestellt.

Der Amtsinhaber soll nach seiner „rhetorischen Brandstiftung”, die am 6. Januar den Sturm auf das Kapitol und damit die schwerste innenpolitische Krise seit Jahrzehnten ausgelöst hat, noch vor dem 20. Januar, wenn sein Nachfolger Joe Biden anfängt, das Weiße Haus verlassen und in Zukunft kein öffentliches Amt mehr bekleiden dürfen. Das Wichtigste auf einen Blick:

Vorweg: Gibt es Kritik an einem zweiten Amtsenthebungsverfahren?

Juristen warnen davor, dass Trumps Rede kurz vor dem Sturm auf den Kongress keinen expliziten Aufruf zur Gewaltanwendung enthielt und somit durch das Statut der Rede-Freiheit (freedom of speech) gedeckt sein könnte. Sie raten dazu, Trump mittels einer möglichst breit getragenen Kongress-Resolution einen förmlichen Tadel zu erteilen. Mit der „resolution of censure” wäre er dauerhaft stigmatisiert. Den Demokraten ist das zu lasch.

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    Wie gehen die Demokraten vor?

    Zunächst drängen sie Trump zum freiwilligen Rücktritt. Bleibt der aus, was wahrscheinlich ist, soll Vizepräsident Mike Pence im Kabinett die Amtsunfähigkeit Trumps nach dem 25. Zusatzartikel der Verfassung feststellen lassen. Kneift Pence, der sich bis Mittwoch ultimativ erklären soll, ist danach im Eilverfahren die Einleitung der gestern (Montag) vorgestellten Anklage für die Amtsenthebung wegen „Anstiftung zum Aufruhr” vorgesehen. Bis Ende dieser Woche könnte das Repräsentantenhaus Trump nach der Ukraine-Affäre zum zweiten Mal „impeached” haben. Die Mehrheiten für diese noch nie dagewesene Konstellation sind da.

    Wäre Trump damit Geschichte?

    Die als gesichert geltende Zustimmung im „House” für ein Impeachment ist nur die halbe Miete. Der Senat ist die entscheidende Instanz. Hier wird das Urteil gesprochen. Hier müsste eine Zwei-Drittel-Mehrheit her. Die Demokraten benötigen dazu 17 Republikaner. Bisher haben sich erst vier Konservative kooperationswillig gezeigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Drittel der Konservativen Trump ans Messer liefert, ist aus heutiger Sicht gering. Bereits im ersten Impeachment-Verfahren (Ukraine-Affäre) stand das Gros trotz erdrückender Indizien zu Trump.

    Entscheidend: Der Senat würde sich erst nach dem 20. Januar richtig mit dem Fall beschäftigen. Wahrscheinlich wochenlang. Dann ist Trump aber nicht mehr im Amt. Der Kongress beträte juristisch-parlamentarisches Neuland.

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      Und wenn der 25. Zusatzartikel der Verfassung aktiviert würde?

      Im Prinzip eine ähnliche Konstellation: Der Vizepräsident kann den Chef für unfähig erklären, „die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben”, wenn er eine einfache Mehrheit im Kabinett hinter sich hat. Das „25th amendment” war eingerichtet worden, um bei physischer Unzurechnungsfähigkeit (Narkose, Operation, Tod) des Präsidenten schnell handlungsfähig zu sein.

      Trump ist weit von diesem Zustand entfernt. Er könnte der Absetzung sofort schriftlich in einem Brief an den Kongress widersprechen. Pence und das Kabinett hätten dann vier Tage Zeit, um ihren Rauswurf-Beschluss zu bekräftigen. Dann wäre der Kongress gefragt. Innerhalb von 48 Stunden müssten die Abgeordneten mit ihren Beratungen beginnen. Danach hätten sie drei Wochen Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Nur wenn beide Kammern mit Zweidrittelmehrheit die Amtsunfähigkeit feststellen, wäre Trump weg.

      Da rund 140 Republikaner zuletzt Bidens Wahlsieg im Sinne Trumps offiziell in Zweifel zogen, wären die Aussichten auf Erfolg für die Demokraten auch hier begrenzt. Wäre es anders, würde auch bei Anwendung dieser Methode ein Präsident abgesetzt, der längst nicht mehr im Weißen Haus sitzt.

      Was will Mike Pence?

      Der Vizepräsident will den 25. Verfassungszusatz eigentlich nicht ziehen. Weil die Trump-Anhängerschaft dann noch unberechenbarer werden könnte. Und weil er seine Hoffnungen auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur 2024 damit begraben könnte. Aber: CNN meldet, dass Pence sich die Möglichkeit offenhalte - für den Fall, dass sich Trump in dieser Woche weitere Ausraster leisten sollte.

      Dahinter steht: Trump hatte wahrheitswidrig behauptet, Pence könne als Vizepräsident des Senats Bidens Wahlsieg hintertreiben. Mit dem Satz „Mike Pence, ich hoffe, dass du dich für die Verfassung und das Land einsetzen wirst. Wenn nicht, werde ich sehr enttäuscht sein", stachelte Trump die Menschenmassen am 6. Januar an. Als bekannt wurde, dass Pence die Aufforderung als verfassungswidrig ablehnt, rasteten Hunderte am Kongress-Gebäude aus und riefen „Hängt Mike Pence!”. Seither haben Pence und Trump keinen Kontakt mehr gehabt. Das Verhältnis, lange von einseitig grenzenloser Loyalität von Pence zu Trump geprägt, ist zerrüttet. Pence hat sich bislang öffentlich nicht zur Sache geäußert.

      Wie kommt Joe Biden ins Spiel?

      Der neue Präsident fürchtet, dass ein Impeachment seine Startphase überschatten und wichtige Entscheidungen (Minister-Ernennung, Coronavirus-Hilfen) verzögern könnte. Außerdem sieht er die Gefahr, dass sein Versprechen, das zerrissene Land zu „heilen” und die tiefen Gräben zwischen den Parteien zu überwinden, konterkariert wird, wenn seine Partei auf Straffeldzug gegen Trump geht.

      Wie sähe der Ausweg aus?

      Der schwarze Top-Demokrat im Repräsentantenhaus, James Clyburn, hat die Idee ins Spiel gebracht, nach dem „Impeachment” im Repräsentantenhaus eine Pause einzulegen und die Anklage erst in cirka 100 Tagen an den Senat zu überstellen. Bis dahin könnte Biden seine wichtigsten Vorhaben anschieben. Andere Demokraten fürchten, dass Trump sich bis dahin in der Märtyrer-Rolle eingerichtet hat und durch Mobilisierung seiner Anhänger noch mehr Unheil anrichtet.