Washington. Trump sät wieder Verschwörer-Zweifel: Darf Kamala Harris wegen ihrer indisch-jamaikanischen Eltern als Vizepräsidentin kandidieren?

Shinrish Dáte ist seit 30 Jahren Journalist. Aber erst seit Donnerstagabend weltbekannt. Der Reporter der „Huffington Post” stellte US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus eine Frage, die angesichts von über 20.000 gut dokumentierten Falschaussagen seit Amtsantritt 2017 eigentlich naheliegt aber so noch nie öffentlich gestellt wurde.

Ob er bereue, das amerikanische Volk all die Jahre belogen zu haben, wollte der in Indien geborene Buchautor vor laufender Fernsehkamera wissen. Trump stutzte, fragte kurz nach und erteilte, ohne eine Antwort gegeben zu haben, sofort einem anderen Journalisten das Wort. In sozialen Medien wurde der Vater zweier Kinder von liberalen Stimmen als „Held” gefeiert. Konservative Kreise bezeichneten Dáte als geltungssüchtigen „Schmierfink”.

Donald Trump verbreitet Verschwörungstheorie über Kamala Harris

Dabei ging fast unter, dass der Präsident der Vereinigten Staaten wenig später eine besondere Kostprobe seines Könnens als Multiplikator von Verschwörungstheorien ablieferte, die automatisch Erinnerungen an ähnliche Attacken wachrief, die der 74-Jährige vor einigen Jahren gegen den damaligen Präsidenten Barack Obama geritten hatte.

Trump stand bis 2015 an der Spitze der sogenannten „Birther”-Bewegung, die in rechtsextremen, rassistischen Kreisen angesiedelt war und Obama die Legitimität als Präsident absprach. Begründung: Er sei nicht in den USA geboren (sondern in Kenia) und erfülle damit nicht die Voraussetzungen fürs höchste Staatsamt.

Trump verlangte über Jahre die Herausgabe der Geburtsurkunde Obamas. Als der sie schließlich genervt vorlegte und den Beweis erbrachte, im US-Bundesstaat Hawaii auf die Welt gekommen zu sein, stellte Trump seine von Beginn an haltlosen Verdächtigungen von heute auf morgen ein.

Kamala Harris ist die erste schwarze Frau und die erste Frau mit südasiatischen Wurzeln, die für eine der beiden großen Parteien als US-Vizepräsidentschaftskandidatin nominiert wird. Ihr Vater war aus Jamaika in die USA eingewandert, ihre Mutter aus Indien. Harris ist in Kalifornien geboren.
Kamala Harris ist die erste schwarze Frau und die erste Frau mit südasiatischen Wurzeln, die für eine der beiden großen Parteien als US-Vizepräsidentschaftskandidatin nominiert wird. Ihr Vater war aus Jamaika in die USA eingewandert, ihre Mutter aus Indien. Harris ist in Kalifornien geboren. © AFP | Drew Angerer

Diesmal ist Kamala Harris sein Opfer. Bei dem Versuch, die frisch nominierte Vizepräsidentschaftskandidatin von Joe Biden frühzeitig zu demontieren und in ein schiefes Licht zu rücken, griff Trump auf die Expertise von John Eastman zurück. Der Rechts-Professor hatte vor wenigen Tagen im Magazin „Newsweek” Zweifel geäußert, ob Harris verfassungsrechtlich berechtigt ist für die Vizepräsidentschaft zu kandidieren.

Seine Begründung: Die aus Indien und Jamaika stammenden Eltern der Senatorin aus Kalifornien seien bei der Geburt ihrer Tochter keine US-Staatsbürger gewesen.

Hintergrund: Warum Donald Trumps Rassismus alles noch schwerer macht

Kamala Harris ist „natural born citizen“ – und darf als Vizepräsidentin kandidieren

Danach von einem Reporter befragt, bekannte Trump: „Ich habe gehört, dass sie nicht die Anforderungen erfüllt.” Ob das stimme, wisse er allerdings nicht. Er hätte allerdings erwartet, dass die Demokraten „das überprüfen, bevor sie als Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten ausgewählt wird.” Trump nannte die Fragestellung „sehr ernst” und charakterisierte Eastman als „hoch qualifizierten, sehr talentierten“ Juristen.

Damit steht Trump einigermaßen allein. Etliche Verfassungsrechtler meldeten sich in Zeitungen und US-Sendern zu Wort und bestätigten, dass das Einwanderer-Kind Harris am 20.10.1964 in Oakland/Kalifornien zur Welt kam, damit eine „natural-born citizen” ist und damit ungeachtet der Staatsbürgerschaft ihre Eltern die rechtliche Befähigung hat, für einen Regierungsposten zu kandidieren, wenn sie mindestens 35 Jahre alt ist und 14 Jahre lang in den USA gelebt hat.

Der 14. Zusatz der Verfassung und einschlägige Urteile des Obersten Gerichtshofes schrieben dies unmissverständlich fest.

Wird Trump seine Angriffe gegen Harris stoppen?

Trump muss die Thematik bekannt gewesen sein, weil er bereits 2016 mit ihr spielte. Seinerzeit war der ihn heute anhimmelnde Ted Cruz die Zielscheibe. Der texanische Senator trat gegen Trump um die republikanische Präsidentschaftskandidat an. Als er in den Umfragen aussichtsreich vorn lag, sagte Trump zu ihm in einer TV-Debatte: „Es gibt ein großes Fragezeichen auf deiner Stirn.”

Gemeint war: Cruz wurde als Sohn einer amerikanischen Mutter und eines kubanischen Vaters in Kanada geboren. Mit vier Jahren kam er in die USA. Trump erklärte, so einer könne nicht legal US-Präsident werden. Dem in Harvard geschulten Verfassungsjuristen sprangen zig Kollegen zur Seite: „Unsinn, er kann.”

Trump stoppte die Attacken irgendwann. So wie er auch damals feststellte: „Präsident Obama ist in den Vereinigten Staaten geboren. Basta.“

Wie lange wird es dauern, bis Trump auch bei Kamala Harris einen Rückzieher macht?

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