München. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz warnt Scholz vor der Eskalation des Ukraine-Konflikts. Die Stimmung bei dem Treffen war düster.

Angesichts des gewaltigen russischen Truppenaufmarsches vor der Grenze zur Ukraine halten Staats- und Regierungschefs des Westens eine Invasion für immer wahrscheinlicher.

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz, ein Schaulaufen der Großen und Mächtigen aus aller Welt, war die düstere Stimmung förmlich zu greifen. "In Europa droht wieder ein Krieg. Das Risiko ist alles andere als gebannt", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonnabend. "Die Situation ist gefährlich."

Auch bei der Nato stellt man sich auf eine russische Militäraktion ein. "Wir können den Frieden nicht mehr als gegeben hinnehmen. Das ist die neue Norm", betonte der Generalsekretär des Bündnisses, Jens Stoltenberg. In Amerika sieht man die Gefahr, dass der Ukraine-Konflikt auf ganz Europa abstrahlt.

Münchener Sicherheitskonferenz: Warnung vor Angriff

"Die Grundlage der europäischen Sicherheit ist in der Ukraine unmittelbar bedroht", resümierte US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Präsident Joe Biden hatte bereits am Freitag vor einem Angriff Russlands auf das Nachbarland in den "kommenden Tagen" gewarnt. Er zeigte sich "überzeugt", dass Kremlchef Wladimir Putin die Entscheidung bereits getroffen habe.

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Bundeskanzler Scholz warb zwar für Verhandlungen mit Russland, mahnte aber gleichzeitig Realismus an. "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein - das ist der Anspruch", erklärte er. Scholz übte deutliche Kritik an Putin, der "Gefolgschaft" verlange und "Einflusszonen" schaffen wolle.

"Kein Land sollte der Hinterhof eines anderen Landes sein." Und: "Der Frieden in Europa kann nur gewahrt werden, wenn Grenzen nicht verletzt werden." Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren, werde dies "hohe Kosten" haben. Auch Deutschland werde dies einen Preis abverlangen.

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Der Kanzler sicherte zudem die deutsche Unterstützung der Nato im Falle einer russischen Invasion zu: "Die Fähigkeiten, die dafür erforderlich sind, müssen wir aufbringen", unterstrich er. "Deutschland steht zur Garantie des Artikels 5 – ohne Wenn und Aber." In Artikel 5 des Nato-Vertrags ist die Beistandspflicht geregelt, wonach ein Angriff auf ein Nato-Mitglied eine Attacke auf die gesamte Allianz darstellt.

Die Forderung Moskaus, einen Nato-Beitritt der Ukraine für immer schriftlich auszuschließen, wies Scholz zurück. "Russland hat die Frage einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zum casus belli erhoben. Das ist paradox: denn hierzu steht gar keine Entscheidung an." Der Umstand der freien Bündniswahl sei jedoch nicht verhandelbar. Der Kanzler verurteilte zudem Putins Aussagen über einen "Völkermord" im Donbass und nannte diese "lächerlich".

Selenskyj mit dramatischem Appell

Nato-Generalsekretär Stoltenberg machte geltend, dass Russlands Aufmarsch die größte Truppenkonzentration in Europa seit dem Kalten Krieg darstelle. "Wir werden alles Notwendige tun, um alle Bündnispartner zu beschützen und zu verteidigen."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Westen in einem dramatischen Appell auf, seine "Beschwichtigungspolitik" gegenüber Russland aufzugeben. "Hat die Welt die Fehler des 20. Jahrhunderts vergessen? Appeasement führt zu nichts", sagte Selenskyj.

Der Begriff "Appeasement" wurde durch den Kurs des britischen Premierministers Neville Chamberlain bekannt, der 1938 im Münchner Abkommen die Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich toleriert hatte, um einen Krieg in Europa abzuwenden. Selenskyj forderte außerdem einen "klaren" Zeitrahmen für einen Nato-Beitritt. Als Sofortmaßnahme verlangte er internationale "Sicherheitsgarantien" für die Ukraine.

Russland drohen nicht nur Wirtschaftssanktionen

Der Staatschef aus Kiew bezeichnete sein Land als Europas "Schutzschild" gegen Russland. "Acht Jahre lang hat die Ukraine eine der größten Armeen der Welt zurückgehalten", erklärte er. Sein Land verdiene mehr internationale Unterstützung; es habe keine Waffen und keine Sicherheit. Die Lieferung von 5000 Schutzhelmen, die die Bundesregierung angekündigt hatte, bezeichnete er als „keine gute Geste“.

US-Vizepräsidentin Harris sprach von einem "Drehbuch russischer Aggression". Und: "Wir erhalten jetzt Berichte über offensichtliche Provokationen und wir sehen, wie Russland Falschinformationen, Lügen und Propaganda verbreitet." Für den Fall einer Invasion drohte Harris "weitreichende Finanzsanktionen und Exportkontrollen" an. Dabei würden Russlands "Finanzinstitute und Schlüsselindustrien" ins Visier genommen.

Harte Wirtschaftssanktionen wären aber nicht die einzige Konsequenz eines russischen Einmarsches, so Harris. "Wir werden unsere Nato-Verbündeten an der Ostflanke weiter stärken." 6000 zusätzliche US-Soldaten seien bereits nach Rumänien, Polen und Deutschland entsandt und Tausende weitere in erhöhte Bereitschaft versetzt worden. "Wie Präsident Joe Biden gesagt hat: Unsere Kräfte werden nicht geschickt, um innerhalb der Ukraine zu kämpfen. Aber sie werden jedes Stück Nato verteidigen."