Berlin . Baerbock verurteilte bei ihrem Kiew-Besuch die russische Besetzung des AKW Saporischschja. Sie sicherte der Ukraine weitere Hilfe zu.

Bei einem Überraschungsbesuch in Kiew hat Außenministerin Annalena Baerbock der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt und vor Kriegsmüdigkeit in Europa gewarnt. „Ich bin heute nach Kiew gereist, um zu zeigen, dass sie sich weiter auf uns verlassen können“, sagte sie am Samstagmorgen bei ihrer Ankunft an die Menschen in der Ukraine gerichtet. Deutschland werde dem Land so lange wie nötig beistehen – mit der Lieferung von Waffen sowie mit humanitärer und finanzieller Hilfe.

Der russische Präsident Wladimir Putin setze darauf, „dass wir der Anteilnahme am Leid der Ukraine müde werden“, betonte die Grünen-Politikerin. Er glaube, die europäischen Gesellschaften „mit Lügen spalten und mit Energielieferungen erpressen“ zu können. „Diese Rechnung darf und wird nicht aufgehen. Denn ganz Europa weiß, dass die Ukraine unsere Friedensordnung verteidigt.“

Baerbock reiste in der Nacht zu Samstag mit einem Sonderzug und einer kleinen Delegation von Polen aus nach Kiew. Der Luftraum über der Ukraine ist seit Kriegsbeginn gesperrt. Deswegen sind auch Politiker gezwungen, den Landweg zu nehmen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) kommt mit ihren Begleitern zum Zug nach Kiew.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) kommt mit ihren Begleitern zum Zug nach Kiew. © Michael Fischer/dpa

Ukraine: Baerbock fordert russischen Abzug vom Atomkraftwerk Saporischschja

Baerbock forderte den vollständigen russischen Abzug vom Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja in der Ukraine gefordert. Mit der Besetzung des Kernkraftwerks setze Putin die gesamte Region der Gefahr eines nuklearen Zwischenfalls aus, sagte Baerbock. „Er macht ein AKW zum Kriegspfand in einem Kriegsgebiet“, betonte sie und forderte: „Russland muss dieses Spiel mit dem Feuer sofort beenden.“

Die Bundesregierung fordere Moskau auf, eine dauerhafte Präsenz der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) zu ermöglichen und alle Kampfhandlungen um das AKW unverzüglich einzustellen. Doch das seien nur erste Schritte. „Russland muss seine Truppen und sein militärisches Gerät vom Gelände bringen und die Kontrolle über das Atomkraftwerk insgesamt wieder an den einzig rechtmäßigen Besitzer, nämlich die Ukraine, zurückgeben“, forderte Baerbock.

Das Kernkraftwerk Saporischschja steht seit Anfang März unter russischer Kontrolle. Mit seinen sechs Reaktoren und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt ist es das größte Atomkraftwerk in Europa. Moskau und Kiew lasten sich den jüngsten Beschuss der Anlage gegenseitig an. Eine Häufung von Vorfällen, die zu Abschaltung von Reaktoren und Stromausfällen führten, hatte international die Sorge vor einer Atomkatastrophe erhöht.

Ukraine: Baerbock sichert Unterstützung beim Minenräumen zu

Nach ihrer Ankunft besuchte die Ministerin ein Minenfeld in Welyka Dymerka vor den Toren Kiews und sagte der Ukraine dort weitere Unterstützung bei der Beseitigung von Kampfmitteln zu. Dies sei neben der Lieferung von Waffen wichtig, um das Leben der Menschen in den zeitweise von der russischen Armee eingenommenen Gebieten sicherer zu machen, sagte Baerbock.

Sie warf der russischen Armee vor, die Vororte Kiews „mit Minen verseucht“ und gezielt Anti-Personen-Minen eingesetzt zu haben, um Zivilisten zu töten. Ihr sei berichtet worden, dass nach dem Abzug der russischen Truppen aus dem Raum Kiew „selbst im Kinderspielzeug in privaten Wohnungen Minen gefunden worden sind, die offensichtlich nichts anderes zum Ziel hatten, als unschuldige Menschen, selbst Kinder zu töten“.

In Welyka Dymerka unterstützt Deutschland ein ziviles Projekt zur Räumung von Minen. Insgesamt hat die Bundesregierung sechs Millionen Euro für die Kampfmittelbeseitigung durch die Organisation HALO bereitgestellt. Die Aufstockung um eine weitere Million ist nach Angaben des Auswärtigen Amts bis Ende des Jahres geplant. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte diese Woche zudem die Ausbildung ukrainischer Soldaten für die Minenräumung in Deutschland angekündigt.

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Ukrainer fordern Panzer von Deutschland

Die Ukraine drängt Deutschland derweil zur Lieferung von Kampfpanzern für die Verteidigung gegen die russische Invasion. „Wir sehen keine Hindernisse dafür“, sagte Außenminister Dmytro Kuleba am Samstag nach einem Treffen mit Baerbock. Bis sich Berlin dazu entschließe, solle Deutschland weiter Artilleriemunition liefern. „Das erhöht spürbar unsere Offensivmöglichkeiten und das hilft uns bei der Befreiung neuer Gebiete“, sagte der Chefdiplomat mit Blick auf die laufenden ukrainischen Offensiven im Osten und Süden des Landes.

Baerbock reagierte zurückhaltend auf die ukrainische Forderung. „Wir liefern ja seit längerem bereits schwere Waffen. Und wir sehen, dass diese schweren Waffen auch einen Unterschied mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine machen“, betonte sie. Konkret nannte Baerbock Mehrfachraketenwerfer, Panzerhaubitzen und Flakpanzer vom Typ Gepard. Von letzteren werde Deutschland schnellstmöglich zehn weitere liefern. Die Außenministerin sagte zudem schweres Gerät zum Aufbau von Brücken und Winterausrüstung zu.

Auf die von Kuleba angesprochenen Kampfpanzer des Typs Leopard ging Baerbock nicht direkt ein. Sie sagte lediglich: „So wie sich die Lage vor Ort verändert, so schauen wir auch immer wieder unsere Unterstützung an und werden weitere Schritte gemeinsam mit unseren Partnern besprechen.“ (dpa/bef)

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de.