Berlin. Sieben Monate nach Kriegsbeginn wurden auf beiden Seiten Kriegsgefangene ausgetauscht. Auch Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk kamen frei.

Zwischen den Aufnahmen, auf denen dieselbe Person zu sehen ist, liegen nur etwas mehr als vier Monate. Doch Mykhailo Dianov, Angehöriger des ukrainischen Freiwilligenbataillons Asow-Regime, ist auf den ersten Blick kaum wiederzuerkennen. Auf beiden Fotos trägt er eine abgegriffene Weste, mit den Fingern der linken Hand formt er ein V-Zeichen für „Victory“, Sieg. Ein freundlich dreinblickender Mann. Die zweite Aufnahme, veröffentlicht am 21. September vom ukrainischen Sicherheitsdienst, zeigt Dianov jedoch mit tief liegenden Augen und neuem Haarschnitt. Der zottelige Vollbart ist abrasiert. Dafür sieht man ihm vor allem eines an: Erleichterung.

Bei den erbitterten Gefechten um das Asow-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol, in dem sich über mehrere Wochen hinweg Kämpfer des ukrainischen Asow-Regiments verschanzt hatten, geriet Dianov in russische Gefangenschaft. Fast drei Monate hielten ihn die Invasoren in Gewahrsam.

Nun wurde Dianov am Mittwoch im Zuge des größten Gefangenenaustausch seit Beginn des russischen Angriffskrieges freigelassen. Wie Kiew und Moskau übereinstimmend mitteilten, wurden 215 ukrainische Gefangene darunter hochrangige Kommandeure der Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk, gegen 55 russische Militärs ausgetauscht.

Ukraine-Krieg: Freigelassene Kriegsgefangene stammen aus mehreren Ländern

Die Ukraine entließ darüber hinaus den ukrainischen Multimillionär Viktor Medwedtschuk aus Gefangenschaft, der als enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin gilt und als dessen Mann in der Ukraine betitelt wurde.

Zudem waren zehn Kriegsgefangene aus fünf Ländern aus Russland nach Saudi-Arabien gebracht worden. Fünf der Freigelassenen stammen aus Großbritannien, zwei aus den USA und jeweils einer aus Schweden, Kroatien und Marokko.

Links: Mykhailo Dianov am 11. Mai im Asow-Stahlwerk in Mariupol. Rechts: Nach seiner Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft am 21. September.
Links: Mykhailo Dianov am 11. Mai im Asow-Stahlwerk in Mariupol. Rechts: Nach seiner Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft am 21. September. © AFP | Handout

Gefangenenaustausch: Verkündung erfolgt kurz nach Teilmobilmachung in Russland

Russlands Verteidigungsministerium erklärte seinerseits am Donnerstag, die 55 russische Militärangehörige seien in medizinische Einrichtungen gebracht worden. Die Militärs seien während ihrer Gefangenschaft „in Lebensgefahr“ gewesen. „Sie erhalten die notwendige psychologische und medizinische Hilfe“, hieß es aus Moskau. Den Putin-Vertrauten Medwedtschuk erwähnte das Verteidigungsministerium nicht. Nach Angaben des pro-russischen Separatistenführers in Donezk, Denis Puschilin, wurde er aber freigelassen.

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Die Verkündung des Gefangenenaustauschs erfolgte kurz nachdem Putin am Mittwoch eine Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten angeordnet hatte. Dem Austausch waren längere Verhandlung vorangegangen, für die sich auch der saudiarabische Kronprinz Mohammed bin Salman laut Berichten von Staatsmedien des Landes mit einem Sondergesandten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen hatte. (lgr/afp)

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

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