Berlin. Der Verfassungsschutz befürchtet, dass Politiker ins Visier russischer Hacker geraten. Gefahr droht aber auch durch Anrufe.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Abgeordnete und Ministerien ausdrücklich vor russischen Cyberangriffen und Desinformationskampagnen gewarnt. „Das militärische Vorgehen Russlands in der Ukraine wird durch Versuche der Einflussnahme und durch Cyberangriffe insbesondere von prorussischer Seite begleitet“, heißt es in einem aktuellen Schreiben des BfV an die obersten Bundesbehörden und die Bundestagsfraktionen. Es liegt unserer Redaktion vor.

Politische Entscheidungsträger in Deutschland, ihre Mitarbeiter oder Beschäftigte in der Verwaltung könnten „direkt oder indirekt“ zu Zielen werden. „Informieren Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die aktuelle Bedrohungslage, um ein Gefährdungsbewusstsein zu schaffen.“

Russische Kampagne: Britischer Verteidigungsminister war bereits Opfer

Konkret rufen die Verfassungsschützer zu großer Achtsamkeit im Umgang mit E-Mails, aber auch bei Anrufen auf: „Manipulative Anrufe können als wesentliche Elemente von Desinformations-Kampagnen eingesetzt werden.“ Der BfV verweist auf den Anruf eines russischen Komikers bei dem britischen Verteidigungsminister Ben Wallace, bei dem sich der Anrufer als ukrainischer Premierminister ausgab und über ein angebliches Nuklearprogramm der Ukraine sprechen wollte. Lesen Sie auch: Russische Geheimdienste: Deutschland gerät mehr in den Fokus

„Das russische Außenministerium griff diesen Videoanruf auf und führte ihn als vermeintlichen Beleg für angebliche Planungen der NATO und der Ukraine an, die Ukraine atomar zu bewaffnen“, warnt der Verfassungsschutz. „Vergewissern Sie sich immer vorab, dass Ihre Gesprächspartnerin bzw. Ihr Gesprächspartner die Person ist, mit der Sie sprechen wollen. Kündigen Sie im Zweifelsfall einen Rückruf an, um die Authentizität prüfen zu können.“

Russische Botschaft könnte Stimmung anheizen

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht zudem die Gefahr, dass russische Stellen die Stimmung hierzulande anheizen. In dem Rundschreiben wird auf ein „SOS“-E-Mail-Postfach der russischen Botschaft verwiesen, das der Meldung von Fällen von „Mobbing, Belästigung, Drohungen, Angriffen oder physischer Gewalt“ gegen russische Staatsangehörige dienen soll. Die Botschaft überhöhe „offenbar bewusst das tatsächliche Ausmaß“ solcher Fälle. Auch interessant: Ukraine: Warum Deutschland keine Schützenpanzer liefern kann

„Dieses Agieren kann dazu beitragen, die ohnehin emotional aufgeladene gesellschaftliche Situation, insbesondere innerhalb der russischen und ukrainischen Communitys in Deutschland, zusätzlich anzuheizen.“ Aktionen wie der prorussische Autokorso durch Berlin sowie Berichte und Bilder von mutmaßlichen Kriegsverbrechen wie aktuell aus dem Kiewer Vorort Butscha „könnten für zusätzliche Spannungen sorgen“.

Prorussische Kundgebung unter strengen Auflagen am Sonntag (10.04.2022) auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main.
Prorussische Kundgebung unter strengen Auflagen am Sonntag (10.04.2022) auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main. © epd | Peter Juelich (Jülich)

Hackergruppe „Ghostwriter“ wieder aktiv

Der Verfassungsschutz warnt die Bundesbehörden und Bundestagsfraktionen zudem ausdrücklich vor Phishing-Aktivitäten der bereits in der Vergangenheit in Deutschland aktiven russischen Hackergruppe „Ghostwriter“. Dieser Gruppe sei die neu registrierte Domain dienste-email.eu zugeordnet worden. „Wortwahl und Endung“ lassen es nach Einschätzung des BfV „wahrscheinlich erscheinen, dass diese Domain für zukünftige Angriffe gegen deutsche und europäische Ziele angelegt wurde.“ Der Verfassungsschutz rät dazu, diese Domain zu blockieren. Lesen Sie auch: Dwornikow: So grausam ist Putins neuer Ukraine-General

Behörden und Bundestagsfraktionen sollen zudem Sicherheitsupdates installieren, Nutzerrechte beschränken und Maßnahmen gegen Phising-Angriffe ergreifen, mit denen sensible Informationen erlangt werden sollen. „Misstrauen Sie allen E-Mails, die Sie zu dringenden Handlungen auffordern.“ Das gelte auch für E-Mails von Familie, Freunden oder dem Arbeitgeber. „Deren E-Mail-Konten könnten ebenfalls gehackt worden sein“, warnt das Bundesamt. „Fertigen Sie in regelmäßigen Abständen Backups und bewahren Sie diese anschließend getrennt von den betroffenen Systemen auf.“

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