Washington. . Die USA stocken die Hilfen für die Ukraine auf rund 14 Milliarden Dollar auf. Selenskyj wird eine Rede vor dem US-Kongress halten.

Noch vor der mit Spannung erwarteten Video-Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heute vor dem US-Kongress (14 Uhr MEZ) hat das Weiße Haus die Militärhilfe für das von Russland seit drei Wochen mit Krieg überzogene Land abermals massiv aufgestockt.

Nach rund 550 Millionen Dollar seit Ausbruch des von Russlands Präsident Wladimir Putin am 24. Februar entfachten Krieges will US-Präsident Joe Biden unmittelbar nach Selenskyjs Rede weitere 800 Millionen Dollar für Kiew freigeben. Insgesamt stehen im frisch abgesegneten US-Haushalt rund 14 Milliarden Dollar für die Ukraine bereit.

Der Löwenanteil der Maßnahmen, die Biden ab 16.45 Uhr MEZ vorstellen will, entfalle auf bereits bekannte Panzerabwehr- und Flugabwehr-Raketen vom Typ Javelin und Stinger, heißt es in Regierungskreisen. Dazu kämen noch Granatwerfer, Gewehre, Radarsysteme, Munition und Hubschrauber.

Ukraine-Krieg: Biden stellt keine Kampfjets zur Verfügung

Kampfjets, wie sie die Ukraine seit Tagen verzweifelt fordert, um Russland wirkungsvoller bekämpfen zu können, oder gar eine von Nato-Piloten gesicherte Flugverbotszone über der Ukraine sind hingegen unverändert nicht auf der Tagesordnung von Präsident Biden.

Seine Grundeinschätzung lautet, dass beide Elemente auf eine Provokation und direkte Konfrontation USA/Nato-Russland hinausliefen und so den dritten Weltkrieg auslösen könnten.

Gegen diese Lagebeurteilung regt sich in beiden Kammern des US-Parlaments parteiübergreifend immer mehr Widerstand. Über 70 Abgeordnete und Senatoren bedrängen inzwischen Biden, der Regierung in Kiew mit Kampfjets auszuhelfen, die – in Gestalt alter MiG's – vom Nato-Partner Polen bereitgestellt werden könnten.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Zu den Befürwortern gehört im Demokraten-Lager die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Amy Klobuchar. Bei den Republikanern sind Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney und Rob Portman die Wortführer der Pro-Kampfjet-Fraktion.

Romney sagt: "Es ist Zeit für Putin, sich davor zu fürchten, was wir tun könnten." Unterstützt von ehemaligen Nato-Oberbefehlshabern wie Wesley Clark und James Stavridis greift Romney die Verzichts-Logik des Weißen Hauses an. Tenor: Warum sollten Kampfjets des Westens Wladimir Putin mehr provozieren und eine etwaige Eskalation auslösen als die stete und – wie gerade im Kongress und von Biden beschlossen – noch erheblich größer werdende Lieferwelle von tödlichen und sehr wirkungsvollen Boden-Luft- und Panzerabwehr-Raketen in Richtung Ukraine?

Clark sagte im US-Fernsehen, man müsse Putin jetzt in den Arm fallen; auch mit der Lieferung von Fluggerät. Andernfalls werde der Kremlherrscher bei der nächsten Attacke gegen den Westen noch rücksichtsloser auftreten. Senator Portman (Ohio), ein klassischer Konservativer alter Prägung, war just in der Ukraine und hält es für geboten, "Kiew das zu liefern, was die Verantwortlichen dort für zielführend halten".

Selenskyj fordert Flugverbotszone

Dazu gehörten, so wird Selenskyj es voraussichtlich in seiner Rede hervorheben, auch mit Waffen bestückte Drohnen und spezifische Boden-Luft-Raketensysteme. Das Weiße Haus versucht die Argumentation pro Kampfjets mit Hilfe des Pentagon zu unterlaufen. Die Ukraine nutze ihre bestehende Kampfjet-Flotte nicht, geht dort das Argument, darum ergebe es militärisch keinen substanziellen Vorteil, jetzt auch noch alte MiGs aus russischer Produktion von Polen in die Ukraine zu schaffen.

In vorherigen Reden – etwa vor dem britischen oder kanadischen Parlament – hatte Selenskyj, der sich am Donnerstag auch in den Deutschen Bundestag zuschalten lässt, den Westen angefleht, den "Himmel über der Ukraine zu schließen". Nur so könnten die gezielt auf Zivilisten gerichteten russischen Angriffe unterbunden werden. Lesen Sie zudem: Selenskyj warnt vor russischen Raketen auf Nato-Gebiet

Weil für Biden eine klassische Flugverbotszone, in der im Falle eines Falles US-Piloten russische Jets abschießen würden und umgekehrt, nicht in Betracht kommt, werben ehemalige US-Militärs für eine "Absicherung humanitärer Flucht-Korridore für ukrainische Kriegsflüchtlinge durch Kampfjets".

In diese Richtung geht auch der Vorschlag von Jaroslaw Kaczynski. Der polnischen Vize-Regierungschef hatte am Dienstagabend gemeinsam mit den Regierungschefs von Polen, Slowenien und Tschechien einen spektakulären Solidaritätsbesuch in Kiew absolviert und Selenskyj Unterstützung versichert.

Der Chef der regierenden konservativen Partei in Polen sagte: "Ich glaube, wir brauchen eine Friedensmission der Nato oder möglicherweise einer breiteren internationalen Struktur." Gemeint waren offenbar UN-Blauhelme. Die Mission müsse von Streitkräften geschützt und in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Innerhalb der Nato hat sich bisher allein Estland für die Einrichtung einer Flugverbotszone ausgesprochen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.