Berlin. Die Ukraine kann jede Art der Unterstützung dringend gebrauchen. Darum sollte Olaf Scholz zum Zeichen der Solidarität nach Kiew reisen.

Im Krieg gegen Russland kann die Ukraine jede Form der Solidarität gebrauchen. Das gilt nicht nur für Sanktionen gegen den Angreifer, die Lieferung von Waffen oder finanzielle Hilfe.

Auch entschiedene politische Unterstützung ist inmitten des russischen Angriffskriegs gegen das nach Europa orientierte Land ein wichtiges Signal an die ukrainische Bevölkerung. Die Nachricht lautet: Wir stehen an Eurer Seite. Die Botschaft an den Aggressor Wladimir Putin ist: Wir lassen die Ukraine nicht allein, die Kriegsverbrechen der russischen Truppen gegen Zivilisten bleiben nicht unbeobachtet.

Insofern ist es mehr als Symbolpolitik, wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen trotz des Krieges nach Kiew reist, um die ersten Schritte für EU-Beitrittsgespräche mit dem Land in die Wege zu leiten. Auch die Besuche des britischen Premierministers Boris Johnson, des österreichischen Kanzlers Karl Nehammer oder anderer europäischer Regierungschefs in der ukrainischen Hauptstadt sind ein wichtiges Zeichen, auf welcher Seite Europa in diesem Konflikt steht.

Wolodymyr Selenskyj (Mitte r), Präsident der Ukraine, und Boris Johnson (Mitte l), Premierminister von Großbritannien, gehen gemeinsam durch die Innenstadt von Kiew.
Wolodymyr Selenskyj (Mitte r), Präsident der Ukraine, und Boris Johnson (Mitte l), Premierminister von Großbritannien, gehen gemeinsam durch die Innenstadt von Kiew. © dpa | Uncredited

Olaf Scholz hat Kiew seit Kriegsbeginn nicht besucht

Schließlich geht es in diesem Krieg nicht in erster Linie, aber auch um Bilder. Die Aufnahmen der zerstörten Städte in der Ukraine, der mit Kopfschuss Getöteten auf den Straßen der Vororte von Kiew und der aus dem Kriegsgebiet geflohenen Alten, Frauen und Kinder gehen um die Welt und entlarven russische Propagandalügen. Die nicht nur per Pressemitteilung erklärte Solidarität ausländischer Staats- und Regierungschefs unterstreicht gegenüber Putin und anderen Diktatoren dieser Welt den Willen, Freiheit und Demokratie auch in der Ukraine zu verteidigen.

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Entsprechend dankbar klingen die Worte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach den hochrangigen politischen Besuchen der vergangenen Tage: „Das ist ein wunderbares Signal, dass die Führer europäischer Staaten damit anfangen, hierher zu kommen und uns nicht nur mit Worten unterstützen.“ Ein wichtiger Name fehlt jedoch in der Liste der Politiker und Politikerinnen, die sich seit Kriegsbeginn in die Ukraine gewagt haben: der von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Jan Dörner, Politik-Korrespondent.
Jan Dörner, Politik-Korrespondent. © Privat | Privat

Deutschland hat die Warnungen vor Putin ignoriert

Nicht nur aus Sicht der Ukraine nimmt Deutschland eine ambivalente Rolle in diesem Konflikt ein. Auf der einen Seite hat neben den USA kein anderes Land die Ukraine seit der Annexion der Krim durch Russland vor acht Jahren mit größeren Summen unterstützt als Deutschland. Auf der anderen Seite hat kein anderes Land in derselben Zeit die zahlreichen Warnungen besonders aus Osteuropa vor Putin und vor der deutschen Abhängigkeit von russischem Gas so hartnäckig ignoriert.

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Zum Leidwesen der Ukraine schreckt die Bundesregierung deswegen jetzt vor einem harten Energieembargo gegen Russland zurück. Scholz und seine Regierung widersprechen auch beim Thema Waffenlieferungen stets dem Vorwurf, die Ukraine nicht ausreichend gegen die russische Aggression zu unterstützen. Gleichzeitig bleibt das Verhältnis zu Kiew unterkühlt.

Selenskyj spricht zum Bundestag - Scholz schweigt

Als der ukrainische Präsident sich per Videobotschaft an den Bundestag wandte und Scholz namentlich zu mehr Einsatz aufforderte, blieb der Appell im Hohen Haus unbeantwortet. Der Kanzler und seine Koalition versteckten sich bei der Begründung hinter parlamentarischen Gepflogenheiten - und das im Krieg!

Es ist an der Zeit, dass Scholz die Zweifel an der vollen Solidarität der Bundesregierung mit der Ukraine ausräumt. Nicht nur durch weitere Waffenlieferungen und schärfere Sanktionen gegen Russland. Sondern auch durch einen Besuch bei Wolodymyr Selenskyj in Kiew.

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