New York. In einer fulminanten Videoansprache vor den UN-Mitgliedern macht Wolodymyr Selenskyj klar, welche Strafen er für Russland fordert.

Wenn heute Nachmittag (Donnerstag) am Rande der UN-Vollversammlung in New York, der Sicherheitsrat, das einflussreichste Gremium der Vereinten Nationen, tagt, liegt informell eine Forderung auf dem Tisch, die es in sich hat: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangt von der Weltgemeinschaft ein Sondertribunal, das Russland wegen des Angriffskriegs auf sein Land „gerecht bestrafen“ soll für „das Morden, die Folter, die Erniedrigungen und die desaströsen Turbulenzen”, in denen die Ukraine stecke. Selenskyj berichtete auch von Kastrationen ukrainischer Männer durch russische Soldaten.

Für die Dauer des Krieges müsse Russland das Veto-Recht im Sicherheitsrat entzogen werden, verlangte er. Russische Bürger sollen außerdem mit einem Reiseverbot in Drittländer belegt werden, wenn sie dort einkaufen oder Urlaub machen wollen. Für den auf dreistellige Milliardensummen geschätzten Schaden in der Ukraine sollen die Vereinten Nationen einen „internationalen Entschädigungsmechanismus“ mit entwickeln und durchsetzen. Russland müsse für diesen Krieg „mit seinem Vermögen bezahlen“, sagte Selenskyj. Der Präsident sprach Englisch. Er war von einem unbekannten Ort in der Ukraine zugeschaltet. Seine Frau Olena Selenska saß live im großen Saal des UN-Gebäudes am East River. Lesen Sie auch: Wie der Westen mit Putin abrechnet

Wolodymyr Selenskyj vor den Vereinten Nationen: „Es gibt nur einen, der Krieg will“

Selenskyj betonte: „Die Ukraine, Europa und die Welt wollen Frieden. Es gibt nur einen, der Krieg will, nur eine Entität innerhalb der Vereinten Nationen - es ist ihr Krieg“. Gemeint waren Wladimir Putin und die russische Föderation.

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Für sein Land stellte Selenskyj eine aus fünf Punkten bestehende „Friedensformel“ vor, die als Leitfaden für eine Beilegung des Konflikts dienen könne:

  • Bestrafung für Aggression
  • Schutz des Lebens
  • Wiederherstellung von Sicherheit und territorialer Integrität
  • Militärische Sicherheitsgarantien (des Westens)
  • Entschlossenheit zur Selbstverteidigung

Ohne diese Formel sei kein Friedensschluss denkbar, betonte der ukrainische Präsident. Momentan räumt Selenskyj einem Frieden aber ohnehin wenig Chancen ein. Die jüngsten Drohgebärden Putins - die Teilmobilmachung und die unverhohlene Drohung mit Atomwaffen - untermauerten, wo Moskau stehe: „Russland will Krieg.“ Auch interessant: Atomdrohung und Mobilmachung: Wie weit geht Putin?

Ukraine-Krieg: Stehende Ovationen für Selenskyj bei den Vereinten Nationen

Aus seiner Sicht werde der große Nachbar diesen Konflikt verlieren, wenn der Westen in seiner militärischen Unterstützung für die Ukraine nicht nachlässt: „Wir können die ukrainische Flagge auf unser gesamtes Territorium zurückbringen, wir können das mit Waffen schaffen, aber wir brauchen Zeit“, sagte der Präsident. Für seine deutlich länger als üblich geratene Ansprache bekam Selenskyj Ovationen. Dutzende Vertreter der 193 Mitgliedsstaaten standen spontan auf und klatschten, was so gut wie nie vorkommt, eine Minute lang Beifall. Die russische Delegation blieb sitzen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.