Berlin . Die Preise für Benzin und Diesel steigen so schnell wie nie zuvor. Muss die Regierung nun die Preise regulieren? Zwei Meinungen dazu.

Pro: Die Pendler dürfen der Politik nicht egal sein

Von Jörg Quoos

Russlands Präsident Wladimir Putin begeht mit seinem brutalen Krieg gegen die Ukraine ein historisches Unrecht und wird zu Recht mit schärfsten Sanktionen überzogen. Dabei darf umsichtige Politik aber nie aus den Augen verlieren, welche wirtschaftlichen Kollateralschäden die Sanktionen im eigenen Land anrichten.

Wer diese Probleme benennt, ist kein kaltherziger Jammerlappen, sondern betrachtet nur alle Facetten dieses Unheils, das der Herrscher im Kreml angerichtet hat. Sicher, wer ordentlich verdient, kann sich den Sprit eine Weile auch zum Preis von 2,50 Euro pro Liter leisten.

Was ist aber mit der alleinerziehenden Mutter, die für kleinen Lohn weit zur Arbeit pendeln muss? Oder mit den Rentnern auf dem Land, die ihr Auto für Arztbesuche und Besorgungsfahrten brauchen? Und dem Jugendtrainer, der am Wochenende mit seinen Schützlingen auf dem Weg zum Fußballturnier im privaten Kombi viele Kilometer frisst?

Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion.
Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion. © Dirk Bruniecki

Sie alle stehen mit einem Spritpreis, wie wir ihn derzeit an den Zapfsäulen sehen, finanziell mit dem Rücken zur Wand.

Die Damen und Herren Politiker, die sich in staatlich betankten Dienstlimousinen durchs Land chauffieren lassen, dürfen jetzt nicht einfach mit den Achseln zucken – nach dem Motto „Im Krieg muss halt jeder Opfer bringen“.

Die normalen Bürgerinnen und Bürger sind die Letzten, die für diesen unmenschlichen Krieg etwas können. Sie sind auch nicht schuld daran, dass die Politik eine erschreckende Energie-Abhängigkeit von Russland aufgebaut hat, die jetzt beim Gaspreis durchschlägt – zu einer Zeit, als der russische Präsident schon längst die ersten Skizzen seiner Großmachtträume präsentierte.

Jetzt trifft es beim Mineralöl die Autofahrer mit voller Wucht. Und der Staat darf sich nicht zu fein sein zu überlegen, wie er in dieser Situation den besonders hart Betroffenen helfen kann. Die ersten Ideen dafür liegen auf dem Tisch. Es kann nicht sein, dass nur noch der mit dem dicken Geldbeutel in Deutschland mobil bleiben kann.

Am hohen Benzinpreis – das Thema ist nicht neu – hat auch die Politik immer kräftig mitgeschraubt. Das macht den Kostendruck jetzt besonders groß. In vielen Fällen hat der Staat schon unkompliziert geholfen. Sogar Bordellbesitzer wurden in der Corona-Pandemie großzügig unterstützt. Da sollten einem die Pendler mit kleinem Einkommen jetzt nicht egal sein.

Kontra: Das ist unser Preis für Freiheit und Demokratie

Von Tobias Kisling

Die Tankstellenrechnung ist derzeit ein Schock. Die Preise steigen in Höhen, wie sie vor wenigen Wochen noch unvorstellbar erschienen. Wenn übernächste Woche die Homeoffice-Pflicht endet und es für Millionen Beschäftigte zurück ins Büro geht, werden sich viele Pendler fragen, wie sie den Sprit eigentlich noch bezahlen können.

Das ist unser Preis des Krieges. Es ist der Preis für die Solidarität mit der Ukraine, der sich aus den Sanktionen und den Drohungen eines Lieferstopps für Öl und Gas ergibt. Und so bitter die Tankrechnung auch ist: Was ist es für ein Preis verglichen mit dem, was die Menschen in Mariupol, wo Putin selbst vor der Bombardierung einer Geburtsklinik nicht zurückschreckte, was die Menschen in Kiew, die eingekesselt der russischen Invasion entgegensehen, derzeit bezahlen?

Tobias Kisling.
Tobias Kisling. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Deutschland hat sich entschieden, mit wirtschaftlicher Härte in den Krieg einzugreifen. Einen solchen Eingriff gibt es nicht umsonst. Er kostet: Geld. Wohlstand. Wachstum. Es ist der Beitrag eines jeden Einzelnen, um für Demokratie und Freiheit einzustehen.

An der Tankstelle wird nun sichtbar, was das konkret bedeutet. Das Angebot wird knapper, die Gefahren eines Embargos werden eingepreist. Die Nachfrage aber bleibt hoch, steigt sogar noch – und mit ihr der Preis. Die Aufgabe einer sozialen Marktwirtschaft aber ist es, denjenigen einen sozialen Ausgleich zu bieten, die eine solche Preisentwicklung nicht mitgehen können.

Die Rufe nach einem Preisdeckel und einer Mehrwertsteuersenkung lösen nicht das Kernproblem: dass sich viele Menschen in Armut befinden, sodass sie sich solche Preise nicht mehr leisten können. Hier sollte der Staat ansetzen – mit Zuschüssen für Menschen in der Grundsicherung, für Wohngeldempfänger, für Menschen mit geringer Rente.

Er sollte schnellstmöglich die kalte Progression abbauen, indem er die Steuertarife an die Inflation anpasst und den Sparerpauschbetrag erhöht. Und er sollte die Firmen entlasten, denen das Geschäftsmodell entzogen wird. Dazu sollte der Staat die mehrwertsteuerbedingten Mehreinnahmen nutzen, die durch die höheren Preise entstehen. Das aber wird nicht ausreichen. Der Staat wird also weiteres Geld ausgeben.

Mit diesem Geld – Steuergeld – muss der Bund verantwortungsvoll umgehen. Zu groß ist das Loch in der Staatskasse bereits, um auch diejenigen pauschal mit zu entlasten, für die der Preisanstieg lediglich ein großes Ärgernis ist.