Berlin. Die USA stehen im Ranking auf Platz eins, Deutschland auf Rang drei. Wie haben die verschickten Waffensysteme den Krieg bisher beeinflusst?

Die Bundesregierung wurde immer wieder dafür kritisiert, zu wenig und zu spät Waffen an die Ukraine geliefert zu haben. Tatsächlich steht Deutschland im internationalen Vergleich relativ weit vorn – nämlich an dritter Stelle.

Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft haben die USA zwischen dem 24. Januar und dem 20. November 2022 Militärhilfe über insgesamt 22,9 Milliarden Euro an die Ukraine geleistet. Dahinter folgen das Vereinigte Königreich, Deutschland, Polen, Kanada, Norwegen und Frankreich. Was sind die wichtigsten verschickten Waffensysteme – und wie haben sie den Krieg beeinflusst? Ein Überblick.

USA: Waffen im Wert von 22,9 Milliarden Euro an die Ukraine

Die Vereinigten Staaten haben bislang Waffen im Wert von 22,9 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert – Platz eins. Unter den schweren Waffen befinden sich Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars, Flugabwehrsysteme, Haubitzen, Mi-17-Hubschrauber und „Ghost“-Drohnen. Neu hinzu kommen Schützenpanzer vom Typ Bradley, wie US-Präsident Joe Biden jetzt angekündigt hat.

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Militärexperten schreiben vor allem den Himars-Mehrfachraketenwerfern eine große Wirkung zu. „Die Himars konnten Ziele bis zu 70 Kilometern hinter der russischen Frontlinie zerstören. Mit den Himars und den deutschen Raketenwerfern vom Typ Mars II ist die gesamte ukrainische Gegenoffensive ab August 2022 vorbereitet worden“, sagte Carlo Masala von der Hochschule der Bundeswehr in München unserer Redaktion. „Damit wurden zum Beispiel russische Munitionsdepots komplett zerstört. Die Russen hatten Probleme, Nachschub zu ihren Stellungen zu bringen.“

Doch auch die US-Aufklärung hat den Ukrainern im Krieg bedeutende Vorteile verschafft. „Sehr wichtig ist die aufklärungsbasierte Information der Amerikaner. Dazu gehören Satellitenbilder, Handy-Ortung und auch der Austausch von Geheimdienstinformationen. Das hilft den Truppen, ihre Ziele präzise zu treffen“, sagte der frühere Bundeswehrgeneral Hans-Lothar Domröse unserer Redaktion. „Dass die ukrainischen Verbände die russischen Truppen nördlich von Kiew zu Beginn des Krieges zurückschlagen konnten, führen Militärs auf die hervorragenden Aufklärungsergebnisse der Amerikaner und Briten zurück.“

Vereinigtes Königreich: der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine

Großbritannien ist mit einem Volumen von 4,1 Milliarden Euro der zweitgrößte Waffenlieferant für die Ukraine. Die Regierung in London hat Kiew unter anderem Mehrfachraketenwerfer vom Typ M270, Tausende Panzerabwehrwaffen, Hunderte Kurzstreckenraketen, gepanzerte Fahrzeuge sowie einige Flugabwehrsysteme vom Typ Starstreak geliefert oder zugesagt.

„Das Vereinigte Königreich hat als einer der ersten Staaten angefangen, bodengestützte Seeraketen an die Ukraine zu liefern. Diese haben mit dazu beigetragen, die russische Schwarzmeerflotte auf Distanz zu halten“, betont Masala. Aber auch bei der Ausbildung hat London stark geholfen. „Sowohl Briten wie Amerikaner haben die Ukrainer seit der Krim-Annexion 2014 sehr intensiv ausgebildet. Das macht sich jetzt für die Ukraine bezahlt“, erklärt Domröse, der auch eine Nato-Einheit leitete.

Deutschland schickte Mehrfachraketenwerfer und bodengestützte Luftabwehrsysteme

Die Bundesrepublik liegt mit Waffenlieferungen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro an dritter Stelle. Darunter befinden sich schwere Waffen wie fünf Mehrfachraketenwerfer vom Typ MARS II, 14 Panzerhaubitzen 2000, 30 Flakpanzer Gepard oder das Luftverteidigungssystem Iris-T.

Insbesondere das bodengestützte Luftabwehrsystem Iris-T wurde in der Ukraine hochgelobt. „Iris-T ist in der Lage, über einer mittelgroßen ukrainischen Stadt eine Art Flugverbotszone zu errichten. Das System hat aller Wahrscheinlichkeit nach bislang eine Trefferquote von 100 Prozent gehabt“, unterstreicht Masala. Der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard könne sowohl zur Luftverteidigung als auch gegen angreifende Verbände genutzt werden. „Die Geparden haben zudem dafür gesorgt, dass die Russen keine Hubschrauber mehr einsetzen konnten“, fügt Domröse hinzu.

Die Bundesregierung hat die zusätzliche Lieferung von Marder-Schützenpanzern sowie einer Patriot-Luftabwehrbatterie angekündigt. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit soll es sich dabei um 40 Marder handeln. „Die Marder-Entsendung wird es der Ukraine ermöglichen, bei ihren Offensiven und Gegenoffensiven ihre eigenen Soldaten besser zu schützen, wenn sie ins Kampfgebiet fahren. Das erhöht die militärische Bewegungsschnelligkeit“, unterstreicht Masala.

Andre Frank vom Kieler Institut für Weltwirtschaft relativiert allerdings den Wert der Marder. „Die neue deutsche Militärhilfe können als substanzieller Beitrag im Vergleich der bisherigen deutschen Zusagen einstuft werden“, sagte Frank unserer Redaktion. „Im Kontext zu anderen Ländern fällt aber auf, dass zum Beispiel Polen schon im April letzten Jahres 40 BMP-1-Infanterie-Kampffahrzeuge versprochen und geliefert hat. Zudem sei der Marder ein veraltetes Model, welches ab 2010 sukzessive durch den moderneren Puma ersetzt werden soll.

Polen: Polen, das an die Ukraine grenzt, war im Westen einer der Schrittmacher für mehr Militärhilfe an die Ukraine. Das Land hat 1,8 Milliarden Euro hierfür reserviert und liegt damit international auf Rang vier. Die Regierung in Warschau ist einer der Teilnehmer des sogenannte Ringtauschverfahrens: Sie gibt alte Waffen sowjetischer Bauart ab und erhält dafür modernes westliches Gerät, auch von der Bundeswehr. „Polen hat vor allem in großen Mengen sowjetische T-72-Kampfpanzer sowie BMP-Schützenpanzer an die Ukrainer geliefert. Das hat die Kampfkraft der Ukrainer deutlich erhöht“, resümiert Masala.

Kanada: Das nordamerikanische Land steht mit einer Militärhilfe über 1,4 Milliarden Euro an fünfter Stelle. Die schwersten Waffen, die Kanada bislang in die Ukraine geschickt hat, sind einige Artilleriegeschütze vom Typ M-777. Zudem stellte Ottawa Tausende Raketenwerfer, Handgranaten und Munition zur Verfügung.

Norwegen: Oslo verschickte Waffen im Wert von 0,6 Milliarden Euro in die Ukraine, liegt damit auf Rang sechs. Das skandinavische Land lieferte 22 Panzerhaubitzen des Typs M109 sowie Munition und Ersatzteile. Zuvor hatte die Regierung in Oslo unter anderem knapp 100 Flugabwehrraketen vom Typ Mistral, 4000 Panzerabwehrraketen, 2000 Panzerabwehrhandwaffen vom Typ M72 und Schutzausrüstung in die Ukraine versandt.

Frankreich: Die Atommacht Frankreich hat Waffen über 0,5 Milliarden Euro in die Ukraine geliefert, Platz sieben in der internationalen Skala. Ex-General Domröse kommt zu dem Schluss: „Frankreich hat sich für eine Weltmacht relativ zurückgehalten.“ Das schwere Gerät bestand vor allem aus dem Artilleriesystem CAESAR sowie Milan-Panzerabwehrraketen und Mistral-Luftabwehrraketen. „CAESAR hat entscheidend mit dazu beigetragen, russische Artilleriestellungen zu zerstören. Sie sind in ihrer Wirkung vergleichbar mit den US-Mehrfachraketenwerfern Himars und den deutschen Raketenwerfern vom Typ Mars II“, erklärt Masala.