Lwiw/Lemberg. Russland vollzieht seinen bisher tödlichsten Angriff - nahe der Grenze zu Polen. Wie groß ist die Gefahr einer Ausweitung des Krieges?

Der Ukraine-Krieg rückt näher an die Grenze zur Europäischen Union. Bei einem russischen Angriff auf einen Militärstützpunkt rund 20 Kilometer Luftlinie von der polnischen Grenze entfernt sind nach ukrainischen Angaben mindestens 35 Menschen getötet und 134 weitere verletzt worden.

In dem von Russland angegriffenen Internationalen Zentrum für Friedenssicherung und Sicherheit in Jaworiw rund 40 Kilometer nordwestlich von Lwiw (Lemberg) hätten auch „ausländische Ausbilder“ gearbeitet, erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow am Sonntag im Onlinedienst Twitter. Die Erschütterungen der Explosion seien auch in Polen zu hören gewesen, heißt es.

Behörden in Lwiw: Tödlichster Angriff seit Beginn der Invasion

Vorläufigen Erkenntnissen zufolge habe die russische Armee von über dem Schwarzen Meer fliegenden Jets rund 30 Marschflugkörper abgefeuert, schrieb der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowij. Die ukrainische Armee gab an, zwei Marschflugkörper zerstört zu haben. Nach Angaben von Regionalgouverneur Maxim Kozitsky handelte es sich um den bislang tödlichsten Angriff seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar.

Verteidigungsminister Resnikow verurteilte den Angriff als „weiteren terroristischen Anschlag auf den Frieden und die Sicherheit in der Nähe der EU/Nato-Grenze“. Den Westen forderte er erneut zur Schaffung einer Flugverbotszone über der Ukraine auf. „Schließen Sie den Himmel!“ schrieb er. Die Nato lehnt die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine bislang kategorisch ab. Sie befürchtet, durch einen solchen Schritt von Russland als Kriegspartei in dem Konflikt wahrgenommen zu werden.

Russische Luftangriffe haben einen Militärübungsplatz westlich von Lemberg getroffen. Dutzende Menschen wurden dabei verletzt.
Russische Luftangriffe haben einen Militärübungsplatz westlich von Lemberg getroffen. Dutzende Menschen wurden dabei verletzt. © Dan Kitwood/Getty Images | Dan Kitwood/Getty Images

Stützpunkt bei Lwiw könnte auch ausländische Ausbilder beherbergt haben

Der Stützpunkt wurde als Ausbildungszentrum für ukrainische Soldaten genutzt, die Ausbilder kamen in der Vergangenheit aus Ländern wie den USA und Kanada. Er diente auch als Basis für gemeinsame Übungen ukrainischer Soldaten mit Nato-Soldaten.

Ob sich die von Resnikow genannten ausländischen Ausbilder zum Zeitpunkt des Angriffs auf dem Stützpunkt befanden, war zunächst unklar. Bereits vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar hatten ausländische Soldaten das Land verlassen. Die USA hatten am 12. Februar mitgeteilt, 150 ihrer Ausbilder aus der Ukraine abgezogen zu haben.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind viele Menschen nach Lwiw geflohen. Viele Flüchtlinge, die die Ukraine verlassen wollen, reisen von dort aber auch weiter zur polnischen Grenze. Bisher galt die Stadt als relativ sicher. Einige Länder haben deshalb ihre Botschaften von Kiew nach Lemberg verlegt.

Aufregung in Kroatien: Drohne aus Ukraine stürzt nahe Haupstadt ab

Verwirrung und Sorge herrschten auch in Kroatien nach dem Absturz einer Aufklärungsdrohne nahe einem Wohngebiet nahe der Hauptstadt Zagreb. Es habe sich um eine Drohne vom Typ Tupolew Tu-141 aus sowjetischer Produktion gehandelt, sagte Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic. Kroatien ist Mitglied der Nato. Sie sei offenbar von ukrainischem Gebiet aus gestartet.

Plenkovic mahnte eine bessere Kooperation innerhalb der Nato an und kritisierte die Reaktion des Militärbündnisses auf den Vorfall als unzureichend. Die Aufklärungsdrohne sei unbemerkt durch den Luftraum der Nato-Staaten Rumänien und Ungarn geflogen, so der Regierungschef. Dies sei „nicht hinnehmbar“. Nach Angaben der kroatischen Behörden befand sich die Drohne rund 40 Minuten lang im ungarischen Luftraum, ohne dass Kroatien alarmiert wurde.

Er habe Briefe an seine EU-Kollegen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg geschickt, erklärte Plenkociv beim Besuch der Absturzstelle. „Wir können eine solche Situation nicht mehr tolerieren.“ Bei der Drohne habe es sich um eine „sehr klare Bedrohung“ gehandelt, „auf die es eine Reaktion geben muss“.

Der Zwischenfall nährt genau wie der Angriff nahe der polnischen Grenze Ängste, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine sich auf weitere Staaten ausweiten könnte. Plenkovic sagte, es sei unklar, „in wessen Besitz“ die Drohne gewesen sei. Offen sei auch, ob der Flug in Richtung des Nato-Luftraums „ein Unfall, ein Fehler oder Absicht war“. Sowohl die Ukraine als auch Russland hätten bestritten, die Drohne gestartet zu haben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt