Berlin. Steinmeiers Zurückweisung zeigt, wie enttäuscht und verletzt die Ukraine über Deutschlands Zögerlichkeit im Umgang mit Russland ist.

Die Frage, ob es politisch klug war, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Besuch in Kiew zu verweigern, kann man durchaus stellen. Aber in der Ukraine haben derzeit Debatten über „politische Klugheit“ keine Konjunktur. Das Land kämpft um sein Überleben gegen einen brutalen Aggressor.

Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich auf eine monumentale Offensive der Russen im Donbass einstellt, braucht schwere Waffen – und zwar schnell. Er bekommt sie aus Deutschland nicht in gewünschtem Maße und in gewünschtem Tempo.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Steinmeiers Zurückweisung zeigt, wie enttäuscht und verletzt die Ukraine über Deutschlands Zögerlichkeit im Umgang mit Russland ist. Die Bundesregierung tut sich schwer bei der Lieferung von wirksamen Waffen. Das betrifft in erster Linie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, aber auch Kanzler Olaf Scholz.

Die Kehrtwende von Steinmeier ändert nichts in Kiew

Auch in der Sanktionsfrage steht die Ampel-Koalition EU-weit auf der Bremse. Sogar ein vergleichsweise leicht verkraftbarer Einfuhrstopp für russische Kohle wurde auf Berliner Drängen hin um vier Monate gestreckt. Jeden Tag überweist Deutschland rund 200 Millionen Euro an die Öl- und Gasgroßmacht im Osten – und finanziert damit die grausame Kriegsmaschinerie von Präsident Wladimir Putin. Warum nicht zumindest ein einmonatiges Moratorium beim Stopp von Öl-Importen auflegen?

Steinmeier ist für die Ukraine eine Symbolfigur für die viele Jahre mit naiver Gutgläubigkeit und Blindheit geschlagene Russland-Politik verschiedener Bundesregierungen. Als Außenminister und als Staatsoberhaupt verkörperte er den in Kiew als befremdlich empfundenen Kuschelkurs gegenüber Putin – die jüngste Kehrtwende Steinmeiers ändert daran nichts. Was für das Land im Krieg jetzt zählt, sind Taten. Das sollte man endlich auch in Berlin begreifen.

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.