Washington. US-Präsident Biden will den ökonomischen Würgegriff um Russland nicht lockern. Vor noch härteren Maßnahmen schreckt er aber zurück.

Wenn Joe Biden am Mittwoch in Washington zu den Gipfeltreffen von EU, Nato und G7 in Brüssel und kurz danach in Warschau abhebt, sind in Europa Enttäuschungen programmiert. Der US-Präsident wird im Ukraine-Krieg nach Lage der Dinge seine Linie gegen Moskau – harte Wirtschaftssanktionen, noch massivere Waffenlieferungen, aber keine US-Soldaten in der Ukraine – beibehalten.

Dabei wird mit jedem Fernsehbild über russische Gräueltaten gegen Kinder, Frauen und Senioren nicht nur in den USA der Ruf lauter, der Westen müsse mehr tun, um das Leiden in der Ukraine zu beenden.

US-Präsident Joe Biden setzt auf Sanktionen und Waffenlieferungen.
US-Präsident Joe Biden setzt auf Sanktionen und Waffenlieferungen. © dpa | Patrick Semansky

So hat Polen dafür geworben, Kiew Kampfjets zur Verfügung zu stellen. Biden wie das Gros der Nato-Staaten lehnen das ebenso ab wie die Einrichtung einer Flugverbotszone; aus der Sorge heraus, dass Wladimir Putin den Krieg über die Ukraine hinaus ausdehnen könnte.

USA will „aggressiv“ auf Chemie- und Bio-Waffen reagieren

Auch der zweite Vorstoß Warschaus, der am Samstag bei Bidens Zusammenkunft mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda zur Sprache kommen wird, trifft in Washington auf wenig Gegenliebe. Um in der Ukraine Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung abzusichern, soll die Nato eine defensive „Friedensmission“ ausstatten.

UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield machte am Sonntag klar, dass Amerika sich daran nicht beteiligen wird. „Wir wollen nicht, dass der Konflikt in einen Krieg zwischen Russland und den USA eskaliert.“ Anderen Nato-Mitgliedern stehe die Entsendung eigener Soldaten allerdings frei.

Auf die Frage, ob die Zurückhaltung auch für den Fall gelte, dass Russland, wie US-Geheimdienste befürchten, chemische oder biologische Waffen gegen die Ukraine einsetzen könnte, entgegnete die Chefdiplomatin bei den Vereinten Nationen, dass Amerika darauf „aggressiv antworten“ würde.

Angriff mit Bio- oder Chemiewaffen eine rote Linie

Im US-Kongress, wo parteiübergreifend Bereitschaft zu erkennen ist, die Sanktionsschraube gegen Moskau weiter anzuziehen und der Ukraine mehr als nur Selbstverteidigungswaffen (Javelin- und Stinger-Abwehrraketen etc.) und Aufklärungsgerät zukommen zu lassen, sind einige Republikaner in diesem Punkt präziser. Liz Cheney, Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney, nannte einen Angriff mit Bio- oder Chemiewaffen eine rote Linie. Die Nato müsse dann eingreifen, um Zivilisten zu schützen.

Der frühere Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark geht noch einen Schritt weiter. Er rät dazu, Putin entschlossen entgegenzutreten, etwa durch die Lieferung von Kampfjets an Kiew. Er hält zudem eine sub­stanzielle und dauerhafte Aufstockung von Personal und Material an der Nato-Ostgrenze für nötig.

Joe Biden „will den Eindruck vermeiden, der Westen wolle Putin stürzen und Russland zerschlagen“, sagen einige seiner Berater. Sie warnen, den ökonomischen Würgegriff durch die Sanktionen zu eng werden zu lassen. Ein „in die Ecke getriebener Putin könnte sonst wirklich zur Atomwaffe greifen“.

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