Seeon. CSU-Chef Markus Söder stichelt weiter gegen CDU-Minister. Kanzlerin Angela Merkel sieht bei der Regierungsarbeit noch Luft nach oben.

Dass die Welt in Bayern noch ziemlich in Ordnung ist, lässt sich daran erkennen, wie hier demons­triert wird. Die Bauern jedenfalls, die am Montag die Zufahrt zur Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten blockieren wollten, hatten ihre Traktoren so geparkt, dass nichts blockiert war. Vorbildlich aufgereiht standen die schweren Maschinen am Feldrand.

Auf dem Acker dahinter machten die Landwirte ihrem Unmut über schärfere Düngeregeln Luft. Nachdem die CSU-Politiker ihnen Unterstützung zugesichert hatten, sammelten die Demonstranten ihren Müll ein, bauten die Würstchenbude ab und machten sich auf den Heimweg.

Dass die Bayern auch Unordnung können, war am frühen Morgen deutlich geworden. Da musste der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, im Fernsehen die Frage beantworten, welche CSU-Minister bald aus der Bundesregierung ausscheiden werden. Diese Frage hatte Parteichef Markus Söder überraschend in einem Interview aufgeworfen – ohne Namen zu nennen und offenbar auch, ohne Parteifreunden einen Hinweis zu geben – Neujahrsgrüße an Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Kanzlerin Merkel hat Umbau ihres Kabinetts nicht auf dem Zettel

Dobrindt jedenfalls gab sich vor laufender Kamera große Mühe, der Frage auszuweichen und sich in Floskeln über „mehr Dynamik“ zu retten. „Es wäre recht unfair, wenn man jetzt Namen benennt, wenn wir inhaltliche Debatten führen wollen“, sagte er.

Eingeweiht klang das nicht. Söder hatte mit seinem Vorstoß, jüngere Minister ins Bundeskabinett zu holen und damit eine „Aufbruchstimmung“ zu erzeugen, eine so große Verwirrung erzeugt, dass sich bis zu Dobrindts Auftritt kein namhafter Unionspolitiker dazu äußern wollte.

Auch die Kanzlerin selbst hatte einen Umbau ihres Kabinetts offenkundig nicht auf dem Zettel. Jedenfalls antwortete Söder auf die Frage, ob er Angela Merkel oder die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer über seine Pläne informiert habe: „Wir waren da im Gespräch, aber nicht vorher.“ Dass Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert im fernen Berlin sagte, die Regierung könne „an manchen Stellen noch an Tempo oder Dynamik zulegen“, wertete Söder als Erfolg für seinen Vorstoß. Sein Fazit: Er treibt die Koalition an.

Seibert hatte jedoch auch gesagt, dass Merkel mit allen Ministern „gut und gerne“ zusammenarbeite, was sich eher nach dem Gegenteil von Personalwechsel anhörte. Auch die betroffenen Amtsträger – Söder kann de facto nur über die drei CSU-Minister entscheiden – lassen wenig Bereitschaft erkennen, ihren Platz zu räumen. Als Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in Seeon aus dem Auto stieg, gab er zu Protokoll: „Ich hab eine volle Agenda und vollen Zuspruch für meine Arbeit. Auf geht’s!“

Söder sieht Bedarf für Erneuerung

Und Innenminister Horst Seehofer, der sich als mit 70 Jahren ältester Minister und langjähriger Feind Söders am ehesten Sorgen um seinen Job machen muss, rettete sich bei einem Auftritt vor Beamten in den Sarkasmus: „In meinem Alter müssen Sie täglich nach dem Aufstehen prüfen, ob Sie noch im Amt sind.“

Als Söder im Innenhof des Klosters Seeon schließlich selbst vor den Fernsehkameras erschien, nahm er die Worte „Minister“ oder „Kabinettsumbildung“ nicht in den Mund. Vielmehr sprach er sehr oft von der Zukunft – von „Zukunftsfragen“, die man stellen, und „Zukunftsdebatten“, die man führen müsse. Schließlich erwähnte Söder auch eine „Zukunftsmannschaft“, die auch nach der nächsten Bundestagswahl 2021 regieren wolle. Die große Koalition solle sich nicht nur selbst verwalten, sondern „Ideen für die Zukunft“ und Perspektiven für die Zeit nach der Wahl aufzeigen.

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Söder deutete erneut an, dass er in den Ministerien für Wirtschaft und Forschung den größten Erneuerungsbedarf sieht – beide sind in CDU-Hand – und bemühte einen Vergleich aus dem Sport: „Eine zweite Luft kann zum Schluss allen Beteiligten noch mal etwas helfen.“ Über das Wie und das Wann werde man dann „zu gegebener Zeit“ reden.

Was die demonstrierenden Bau­ern angeht, so bekamen sie vorerst nur von der CSU die lose Zusicherung, die europäischen Düngeregeln zu prüfen. Der prominenteste Gast auf der CSU-Tagung, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, machte den Landwirten wenig Hoffnung. Man sei mit den Bauernverbänden und den nationalen Parlamenten im Gespräch: „Aber wir müssen auch den Schutz der Umwelt und die Belastung der Böden im Auge haben“, sagte sie. Das klang nicht so, als ob die gegenwärtigen Fragen und die Zukunftsantworten der CSU besonders gut zusammenpassen würden.