Washington. Erdogan und Trump haben sich im Weißen Haus getroffen. Das Verhältnis der Länder ist angespannt. Doch Trump schmeichelte Erdogan.

„Ich bin ein großer Fan von ihm.” Als die Demokraten im US-Kongress am Mittwoch die Worte hörten, mit denen Donald Trump sein türkisches Gegenüber Recep Tayyip Erdogan im Weißen Haus bedachte, fiel ein Wort inflationär oft: „unfassbar”.

Noch vor Kurzem hatte Trump im Kontext der Kurden-Krise in Syrien Erdogan mit der wirtschaftlichen Vernichtung der Türkei gedroht. Weil Ankara – nachdem Trump mit dem US-Truppenabzug den Weg erst dafür freigemacht hatte – brutal gegen die kurdischen Milizen vorging, die lange Partner der USA im Kampf gegen das Terror-Netzwerk Islamischer Staat waren.

Von diesem Dissens war am Mittwoch nichts mehr zu spüren. Vor der Presse bedachte Trump seinen Gast mit einer Litanei aus Lobhudelei. Danach sei der Waffenstillstand in Syrien stabil und schreite voran. Die Türkei sei zudem sehr hilfreich bei der Ausschaltung von IS-Chef Bagdadi gewesen und zeige sich bei den Ausgaben für die Nato vorbildhaft an der Zwei-Prozent-Marke.

US-Armee zurück in Syrien

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    Trump lobt Erdogan für „fantastischen Job in der Türkei“

    Trump stellte sogar ein 100 Milliarden Dollar schweres Handelsabkommen in Aussicht und bilanzierte seine Eloge mit dem Satz: „Sie tun einen fantastischen Job für die Menschen in der Türkei.” Von inhaftierten Regierungskritikern und Journalisten, von der Verfolgung der Kurden – keine Rede.

    Erdogan revanchierte sich mit einem Auftritt, der die USA auf eigenem Boden in den Senkel stellte. Dass das Repräsentantenhaus den Völkermord an den Armeniern offiziell als politisch von der Türkei zu verantworteten Genozid anerkannte, sei ein die Beziehungen verschaltendes Unding, das der Senat hoffentlich zurückdrehe, sagte er.

    Diese Deutschen waren in türkischer Haft

    Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation.
    Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation. © dpa | Soeren Stache
    Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte.
    Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. © REUTERS | HANDOUT
    #FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels.
    #FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels. © picture alliance / Eventpress | dpa Picture-Alliance /
    Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt.
    Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt.
    Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt. © Facebook/Mesale Tolu | Facebook/Mesale Tolu
    Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben.
    Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben. © dpa | Linda Say
    Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen.
    Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen. © dpa | Emrah Gurel
    Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“
    Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“ © REUTERS | OSMAN ORSAL
    Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden.
    Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. © dpa | Privat
    Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören.
    Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören. © privat | privat
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    Heikle Themen ließ Trump unter den Tisch fallen

    Dass die USA und die Nato den Kauf des russischen Flugabwehrsystems S-400 als Tabubruch empfinden, lässt Erdogan kalt. Wenn die Bedingungen „passend” seien, könne man sich vorstellen, auch wieder US-Patriot-Raketen zu kaufen.

    Dass Erdogan laut TV-Sender NBC den Russen signalisiert hat, dort auch Kampfjets zu ordern, kam nicht zur Sprache. Auch nicht, dass Trumps Ex-Sicherheitsberater John Bolton überzeugt ist, dass Trumps Türkei-Politik von persönlichen, wirtschaftlichen Motiven getrieben ist.

    Trump widersprach Erdogan nicht ein Mal

    Dagegen bekam Erdogan Gelegenheit, sich als Wohltäter zu präsentieren, dessen Land allein die Hauptlast von Flüchtlingen aus dem syrischen Bürgerkrieg schultere und die kurdischen Milizen weiter als Terroristen jagen werde. Trump widersprach nicht ein einziges Mal. Das taten vor dem Weißen Haus Hunderte Menschen.

    „Türkei raus aus Syrien”, war auf Plakaten von Exil-Kurden und Armeniern zu lesen. Brett McGurk, der aus Enttäuschung über Trump zurückgetretene US-Sonderbeauftragte für den Kampf gegen den IS, bilanzierte die Streichel-Politik Trumps gegenüber Erdogan mit einem zynischen Vergleich aus der Tierwelt: „Wenn du dem Fuchs das Stehlen deines Huhn vergibst, wird er dein Schaf stehlen. Und dann deine Kuh.”

    Der Fuchs, das ist in diesem Bild Erdogan.