Washington. Die Spannung zwischen Demokraten und Republikanern in den USA wird immer stärker. Die Forderungen nach offiziellen Rügen werden lauter.

Haben Sie schon mal von Paul Gosar und Lauren Boebert gehört? Der 62-jährige frühere Zahnarzt aus Arizona und die 34 Jahre alte Besitzerin eines Frikadellen-Restaurants in Colorado – beide Abgeordnete des Kongresses in Washington – stehen für die jüngsten Grenzverletzungen im zunehmend bedrohlicher werdenden politischen Betrieb der Vereinigten Staaten.

Gosar ist bekannt für allerlei demokratiefeindliche Äußerungen. In seinem jüngsten Exzess arbeitete er sich in einem an japanische Anime-Filme erinnernden Trickfilm-Video an Alexandria Ocasio-Cortez ab. Die demokratische Kongress-Abgeordnete, linker "north star" ihrer Partei, ist auf dem rechten Flügel der Konservativen wegen ihres Einflusses und ihrer Medien-Präsenz besonders verhasst.

Gosar hat sie (im Video wohlgemerkt) mit einem Schwert getötet. Das ist selbst für ihn, der mit Vertretern aus der "white supremacy"-Szene (Vorherrschaft der Weißen) sympathisiert und die bewaffneten Schläger, die am 6. Januar das Kapitol in Washington gestürmt haben, "friedliche Patrioten" nannte, eine neue Qualität.

USA: Demokraten fordern Bestrafung Gosars

Der Tabubruch zeitigte Konsequenzen. Die Demokraten forderten eine offizielle Rüge des Abgeordneten. Sie wurden dabei nur von einzelnen Republikanern unterstützt, die wie Ex-Vizepräsidenten-Tochter Liz Cheney mit ihrer von Donald Trump gekaperten Partei gebrochen haben. Die Fraktionsspitze der "Reps" im Repräsentantenhaus um Kevin McCarthy hingegen schnallte sich einen Maulkorb um. Aus Angst, von Trump und dessen beißwütiger Basis gemaßregelt zu werden, wenn man Gosar adäquat abstrafen würde.

Letzteres geschah vor einigen Tagen im Repräsentantenhaus, wo die Demokraten die Mehrheit haben, mit 223 zu 207 Stimmen trotzdem. Ein Vorgang, wie er in der über 200 Jahre alten Geschichte des Parlaments nur zwei Dutzend Mal vorgekommen ist.

Republikanerin macht Vorwürfe gegen Muslimin

Kaum war die Causa Gosar abgehakt, trat Lauren Boebert auf den Plan. Eine Novizin im Kongress, die bisher vor allem mit ihrem beinharten Eintreten für das Recht auf Waffenbesitz Schlagzeilen gemacht hat und häufig schneller redet als denkt.

Die junge Republikanerin rückte ihre demokratische Kollegin Ilhan Omar aus Minnesota in die Nähe von dschihadistischen Selbstmord-Bomberinnen. Mit der in Somalia geborenen Omar gemeinsam im Aufzug zu fahren, sagte Boebert, sei sicher – solange die Muslimin keinen Rucksack trage (unausgesprochen: …in dem Terroristen häufig Sprengsätze versteckten).

Omar, bereits vorher von Donald Trump mehrfach ins Visier genommen, bekommt seither Morddrohungen. Boebert entschuldigte sich lapidar. Um wenig später die Vorwürfe anders formuliert zu wiederholen.

Morddrohungen: Nancy Pelosi fordert Konsequenzen

Die demokratische Führung im Repräsentantenhaus um Nancy Pelosi will Boebert darum ebenfalls offiziell rügen. Man fürchtet sonst einen Dammbruch und eine Gewaltwelle gegen gewählte Volksvertreter, die in diesem Jahr in Washington über 9000 schwere Drohungen und Beleidigungen von Bürgern erhielten. Ein Auslöser: Marjorie Taylor-Greene.

Die schrille Abgeordnete aus Georgia gehört mit Gosar, Boebert und anderen zur Speerspitze einer pseudo-anarchischen Zelle in der republikanischen Partei, die Joe Biden für einen illegitimen Präsidenten hält und langsam aber stetig dem gewaltsamen Umsturz der Verhältnisse das Wort redet. O-Ton Taylor-Greene: Washington sei "ein gläsernes Schloss, das nur darauf wartet, vom amerikanischen Volk, dass der Lügen und Heuchelei überdrüssig ist, in Stücke geschlagen zu werden".

USA: Amerikaner fürchten Bürgerkrieg

Man könnte über solche Sätze leise den Kopf schütteln. Aber die Umstände in Amerika sind nicht nur irre, sondern ernst. Rund 30 Prozent der republikanischen Wählerschaft hält nach einer Umfrage des "Public Religion Research Institute" Gewalt für legitim, ja geboten, um Amerika vor den Demokraten zu retten.

Noch mehr Amerikaner sehen ihr Land auf einen zweiten Bürgerkrieg zusteuern. Bei einer Veranstaltung einer Trump-nahen Vereinigung im ländlichen Idaho fragte ein Teilnehmer unlängst vor laufender Kamera: "Wann greifen wir zu den Waffen? Wie viele Wahlen werden sie (die Demokraten - d. Red.) noch stehlen, bevor wir diese Menschen töten?". Auf dem rechten Flügel der "Grand Old Party" und ihrer Anhänger hat es sich eingebürgert, Demokraten mit "Faschismus", "Gestapo" und "Kommunisten" gleichzusetzen.

Wer in die Partei hineinhorcht, erfährt, dass die Verrohung der Sitten ohne Donald Trump nicht denkbar gewesen wäre. Der Ex-Präsident hat seit dem Wahlkampf 2015 Gewalt systematisch salonfähig geredet. Trump ermutigte bei Kundgebungen seine Anhänger dazu, Demonstranten der anderen Seite "die Scheiße aus dem Leib zu prügeln". Unter den rechtsradikalen Schläger von Charlottesville 2017, die eine junge Frau auf dem Gewissen haben, erkannte er "auch gute Menschen".

Erstürmung des Kapitols: Trump lobt Unterstützer

Zuletzt äußerte Trump offen jedes Verständnis für jene, die bei der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar seinen Vizepräsidenten Mike Pence allen Ernstes aufhängen wollten, weil er sich der Aufforderung widersetzt hatte, Bidens Wahlsieg zu annullieren. Nachdem Paul Gosar im Kongress gerügt wurde, überschüttete Trump ihn demonstrativ mit Lob und sprach von einem "loyalen Unterstützer".

Das Gros der Republikaner toleriert den hoffnungslos vergifteten Ton, der mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2024 ein abermaliges Drehen an der Eskalationsschraube erahnen lässt. Vielleicht sollten die Parteispitze auf Leute wie David oder Jennifer Gosar hören. Pauls Gosars Geschwister halten ihren Bruder für einen gefährlichen "Soziopathen", der unbedingt aus dem Parlament entfernt werden müsse.

US-Wahlkampf: Was sonst noch auffällt

Sie war das weibliche Gesicht jener illustren Gruppe von juristischen Quacksalbern um Rudy Giuliani, die über Monate Donald Trumps Wahlniederlage vor einem Jahr rückgängig machen wollten: Sidney Powell, 66, gebürtige Texanerin. Die schrille Anwältin wartete etwa mit der hoffnungslos absurden Verschwörungstheorie auf, dass die sozialistische Staatsspitze Venezuelas Software zur Stimmauszählung manipuliert habe, um im November 2020 den Wahlausgang in den USA zugunsten der Demokraten zu beeinflussen.

Alles Kokolores – aber ein einträgliches Geschäft. Powell gründete seinerzeit eine Non-Profit-Organisation mit dem Titel "Defending the Republic", um den Kampf gegen die "Wahlbetrüger" um Joe Biden zu bestreiten. Jetzt weiß man, warum. Powells Verein hat nach US-Medienberichten binnen sechs Monaten über 14 Millionen Dollar an Spenden eingetrieben. Mit Lügen lässt sich Geld verdienen. Allerdings könnte Powell das alles teuer zu stehen kommen. Es laufen mehrere Klagen gegen sie. Dabei geht es um Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe.

Biden und Harris: Weitere Medienberichte

Joe Biden hat ein durchwachsenes bis mieses erstes Amtsjahr hinter sich. Warum? Weshalb? Wieso? Derek Thompson hat sich im Magazin "The Atlantic" Gedanken gemacht.

Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris rangiert in den Umfragen noch hinter dem stark in der Gunst der Amerikaner abgestürzten Chef im Weißen Haus. Alexi McCammond und Sarah Mucha vom Portal "Axios" haben analysiert.

Trump: Ex-US-Präsident sorgt wieder für Furore

Geld wie Heu hat (angeblich) der frühere US-Präsident Donald Trump für seine geplante Anti-Twitter-Facebook- Online-Plattform "Truth Social" zusammengekratzt. Neben den rund 300 Millionen Dollar, die Trumps Partner-Unternehmen Digital World bei einer Börsengang im Spätsommer einsammelte, lägen Finanzzusagen weiterer Investoren im Volumen von einer Milliarde Dollar vor, teilte ein von Trump gegründetes Tochter-Unternehmen mit. Ob das stimmt, ist nicht belegt.

Trump, was bei solchen unternehmerischen Neustarts merkwürdig und ungewöhnlich ist, nennt keinerlei Namen. Wann die "soziale Wahrheit" an den Start gehen wird, ist ebenfalls unbekannt. Es könnte sich also um eine typische Fake-News à la Donald Trump handeln. Nur in einem Punkt wird es konkret. Devin Nunes, ein Republikaner aus Kalifornien, der mehrfach mit Lügengeschichten aufgefallen ist, legt sein Mandat als Kongress-Abgeordneter nieder und wird CEO der Trump-Wahrheitsmaschine.