Washington. Donald Trump hat ein virtuelles Format der TV-Debatte gegen Joe Biden abgelehnt. Für den Präsidenten ist das „Zeitverschwendung.”

Die wichtigste Frage, die Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten in Amerika entlang der Verfassung zu beantworten haben, ist die: Könnten Sie im Handumdrehen die Amtsgeschäfte der Nummer 1 übernehmen?

Weil die aktuell erste Reihe – mit dem undurchschaubar an Corona erkranken Präsidenten Donald Trump (74) und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden (77) – schon rein altersmäßig eine Diskussion über eine Nachfolge-Regelung nahelegt, war man gespannt, wie am Mittwochabend in Salt Lake City die Antwort ausfallen würde. Aber Fehlanzeige.

Weder der amtierende Vize Mike Pence (61) noch seine Kontrahentin Kamala Harris (55) wollten in der einzigen TV-Debatte der „Veeps” vor der Wahl am 3. November aus ihren Stellvertreter-Rollen heraustreten. So sehr sich Moderatorin Susan Page auch bemühte, mit präzisen Fragen Licht in das von Schreiereien und Beleidigungen überschattete Auftaktduell zwischen Trump und Biden zu bringen, so sehr blieben die Kombattanten in der Deckung.

US-Wahl: Donald Trump sagt TV-Debatte mit Joe Biden ab

Dass sie es zivilisiert taten, wurde allseits als angenehm begrüßt. Verbunden mit der Hoffnung, dass die Chefs es ihnen bei ihrem zweiten Anlauf am 15. Oktober gleichtun. Dazu wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Die Kommission zur Ausrichtung der „presidential debates” hat am Donnerstagmorgen entschieden, dass Trump und Biden aus Gesundheitsgründen nächste Woche nicht zusammen in Miami mit Sicherheitsabstand auf der Bühne stehen werden.

Wie einst John F. Kennedy und Richard Nixon 1960 sollen sie von „verschiedenen Orten” aus zugeschaltet werden. Die Entscheidung gilt als Misstrauensbeweis gegen Trump, der nicht nur um den Zeitpunkt seiner Corona-Infektion ein Geheimnis macht.

Am 29. September fand das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden statt. Wenig später wurde Trumps Infektion mit dem Coronavirus bekannt. Nun lehnt der US-Präsident eine virtuelle Fernsehdebatte ab.
Am 29. September fand das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden statt. Wenig später wurde Trumps Infektion mit dem Coronavirus bekannt. Nun lehnt der US-Präsident eine virtuelle Fernsehdebatte ab. © imago images/Hans Lucas

Trump, der für seine zerstörerischen Auftritt am 29. September vernichtende Kritiken erhielt, reagierte auf dem Fuße in seinem Lieblingssender Fox News: „Ich werde meine Zeit nicht mit einer virtuellen Debatte verschwenden, das ist lächerlich.” Der Präsident äußerte den Verdacht, dass man ihm bei diesem Format „jederzeit den Ton abdrehen kann” und seinen Kontrahenten Biden bevorteilen wird.

Corona-Krise: Senioren haben Vertrauen in Donald Trump verloren

Stattdessen wollte Trump zunächst am nächsten Donnerstag eine Kundgebung vor Anhängern abhalten. Dann ruderte er wenige Stunden später zurück und brachte eine Verschiebung des Duells um eine Woche ins Spiel, um eine direkte Gegenüberstellung der Kandidaten in einem Raum zu ermöglichen. Auch die dritte und letzte Debatte vom 22. Oktober soll demnach um eine Woche verschoben werden.

Ob die weiteren TV-Debatten nun stattfinden und in welchem Rahmen, ist damit ungewisser denn je. Das gilt auch für Trumps Erfolgsaussichten knapp 25 Tage vor der Wahl. Für den Amtsinhaber verdüstert sich in zwei wichtigen Segmenten das Umfragen-Klima dramatisch. 2016 hatte Trump bei Senioren (über 65) und Frauen (vor allem mit niedrigerem Bildungshintergrund) solide bis herausragende Wähler-Bastionen. Vorbei.

Aktuelle Zahlen aus Schlüssel-Bundesstaaten wie Michigan und Florida weisen massive Abstürze aus. Joe Biden liegt teilweise mit 30 Prozentpunkten vorn. Dass Trump in seinem Heimatbundesstaat Florida, wo überproportional viele Ältere ihren Lebensabend verbringen, Vertrauen eingebüßt hat, liegt laut Umfragen am Corona-Management der Regierung. Ältere Wähler wissen, dass sie zur Hochrisiko-Gruppe gehören. Ihre wachsende Überzeugung: Trump schützt sie nicht ausreichend.

Kamala Harris und Mike Pence: So lief das TV-Duell der Vizekandidaten

An dieser Schnittstelle hatte Biden Vize-Aspirantin Kamala Harris gegen Mike Pence den wuchtigeren Start. Sie kanzelte die Arbeit der Regierung in der Corona-Krise als „das größte Scheitern einer US-Regierung in der Geschichte unseres Landes” ab. 210.000 Tote – die höchste Zahl weltweit – war für sie der Ausweis von Inkompetenz.

Dass Trump gegenüber dem Reporter Bob Woodward einräumte, schon im Februar von der tödlichen Wirkung von Corona gewusst zu haben, dies aber vor den Amerikaner verborgen hielt, sei der Sündenfall schlechthin, erklärte die Tochter jamaikanisch-indischer Eltern und konstatierte: „Sie wussten, was passiert, und sie haben es Ihnen nicht gesagt.”

• Live-Ticker zum Nachlesen: So lief die TV-Debatte der Vizekandidaten

Pence konnte dem Plädoyer nicht viel entgegensetzen. Sein Verweis, Trump habe alles Menschenmögliche getan, um der Pandemie schnell Herr zu werden, wird in Umfragen von über 60 Prozent der Amerikaner als Verzerrung der Realität gewertet.

TV-Debatte: Was bleibt ist eine schwarze Fliege

Weder Harris noch Pence drängten sich durch ihre von Plexiglas-Scheiben getrennten Auftritte als Präsidenten-im-Wartestand-auf. Harris wirkte energischer und emphatischer. Laut einer CNN-Blitzumfrage entschied sie den Abend für sich entschied. Weil es ihr gelungen sei, die Debatte „auf Versäumnisse Trumps zu lenken”.

Kamala Harris und Mike Pence waren bei ihrer TV-Debatte durch Plexiglas-Scheiben voneinander getrennt.
Kamala Harris und Mike Pence waren bei ihrer TV-Debatte durch Plexiglas-Scheiben voneinander getrennt. © imago images/UPI Photo

Andere Ministudien erkannten in Pence den Gewinner. Weil der langjährige Radio-Moderator unangenehmen Fragen permanent ausgewichen sei und stattdessen Trump-genehme Botschaften gesetzt habe. Die aber allesamt schon am Donnerstagmittag wieder vergessen waren, nachdem der Präsident den Medienscheinwerfer vollständig auf sich ausgerichtet hatte.

In Erinnerung bleibt von der TV-Debatte der Vize-Kandidaten neben dem ausgeprägten Willen von Mike Pence, Fragen nicht zu beantworten, sein Redezeitbudget zu überschreiten und der gestrengen „Jetzt rede ich, Herr Vizepräsident!”-Replik von Kamala Harris eine flüchtige Laune der Natur: Eine schwarze Fliege ließ sich minutenlang im weißen Haar von Pence nieder. Der Vizepräsident hat davon nichts gemerkt.

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