Washington. Das US-Justizministerium klagt 67-Jährigen an, weil er den U-Ausschuss zur Aufklärung des blutigen Sturms aufs Kapitol sabotiert.

Diesmal könnte ihn sein ehemaliger Boss nicht begnadigen: Steve Bannon, rechtspopulistischer Immer-noch-Einflüsterer von Ex-Präsident Donald Trump, ist von einer Geschworenen-Jury, die das Justizministerium eingesetzt hat, angeklagt worden und wird sich dem Vernehmen nach am Montag den Behörden stellen.

Der 67-Jährige hatte im Oktober die Aufforderung zur Stellungnahme vor einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses ignoriert, der die Geschehnisse rund um die blutige Erstürmung des Kapitols in Washington am 6. Januar aufzuklären versucht. Die Parlamentskammer hatte Ende Oktober mit 229 zu 202 Stimmen dafür gestimmt, Bannon deswegen strafrechtlich verfolgen zu lassen.

Sturm auf das Kapitol: Spontaner Gewaltausbruch oder geplant?

Justizminister Merrick Garland kam dem am Freitagabend nach. Die Anklage wegen Missachtung und Behinderung des Parlaments, die Bannon im Falle einer Verurteilung bis zu einem Jahr Gefängnis plus Geldstrafen einbringen kann, sei Ausdruck des "unerschütterlichen Engagements" des Justizministeriums, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden, sagte Garland.

Der Untersuchungsausschuss, in dem nur zwei Republikaner sitzen, will rekonstruieren, ob der von Trump am 6. Januar kurz zuvor auf einer Kundgebung am Weißen Haus de facto angestiftete Sturm auf das Kapitol, der die offizielle Beglaubigung des Wahlsieges von Joe Biden verhindern sollte, ein spontaner Gewaltausbruch war. Oder ob der versuchte Staatsstreich womöglich mit Wissen oder Unterstützung von Trumps Netzwerken von langer Hand über Wochen vorbereitet wurde.

Bannon soll von Plänen gewusst haben

Dabei spielt Bannon, der bereits 2017 von Trump aus seiner Funktion als Chefstratege entlassen worden war, ihm aber trotzdem die Treue hielt, eine wichtige Rolle. Am Tag vor den beispiellosen Ausschreitungen am Sitz des Kongresses hatte der frühere Boss des rechtsextremen Internet-Portals Breitbart in einem Podcast erklärt: "Und morgen wird die Hölle losbrechen."

Die republikanische Abgeordnete und solitäre Trump-Gegnerin Liz Cheney sagt dazu: "Bannon wusste, was geschehen würde, bevor es geschah."

Erwiesen ist, dass Bannon sich am 6. Januar gemeinsam mit prominenten Trumpianern wie Michael Flynn (Ex-Nationaler Sicherheitsberater) und Roger Stone (Strippenzieher mit Kontakten zu militanten Rechtsextremisten) in einer informellen Kommandozentrale aufgehalten hat, die im noblen Willard-Hotel in der Nähe des Weißen Hauses etabliert worden war.

Bannon im Januar kein Regierungs-Mitarbeiter mehr

Bannon hatte die Kooperation mit dem Untersuchungsausschuss mit der Begründung verweigert, es gehe um privilegierte, regierungsamtliche Informationen, die er nicht öffentlich machen dürfe. Außerdem habe Trump ihn und andere angewiesen, den Kongress zu ignorieren, da präsidiale Entscheidungen dem sogenannten "exekutiven Privileg" unterlägen. Was viele Juristen bezweifeln.

Denn Bannon war im Januar dieses Jahres schon seit langer Zeit kein Mitarbeiter der Regierung mehr. Und: Der amtierende Präsident Joe Biden hatte der Geheimniskrämerei der Entourage seines Vorgängers Trump bereits vor Wochen eine Absage erteilt.

Demokraten sehen Sturm auf das Kapitol als Putschversuch

Letzterer versucht krampfhaft zu verhindern, dass die im National-Archiv aufbewahrten Dokumente über seine Äußerungen und Kontakte rund um den 6. Januar dem U-Ausschuss zur Verfügung gestellt werden. Die letzte Entscheidung darüber wird voraussichtlich im Dezember der Oberste Gerichtshof fällen.

Die Demokraten gehen davon aus, dass der 6. Januar ein kühl kalkulierter Putschversuch war, der persönlich von Trump inspiriert und autorisiert wurde. Die Republikaner dagegen erklären bis in die Parteispitze hinein, dass die Gewalttäter, die in das Parlamentsgebäude eindrangen und unter anderem Polizisten verprügelten, tapfere Patrioten waren, die sich dagegen wehren wollten, dass Trump der Sieg bei den Präsidentschaftswahlen vor einem Jahr gestohlen worden sei. In Umfragen stimmen dem über 60 % der republikanischen Wähler zu.

Mike Pence von Trump-Anhängern mit dem Tode bedroht

Exakt in dieser Diktion hat sich auch Trump mehrfach selber geäußert. Zuletzt in einem Interview mit dem renommierten ABC-Reporter Jonathan Karl, der ein frisches Buch über die turbulenten letzten Wochen der Trump-Präsidentschaft vorgelegt hat. Dabei geht es in einer Passage gesondert um das Schicksal von Mike Pence.

Trumps Vizepräsident hatte am 6. Januar qua Amt die Schlüsselfunktion bei der amtlichen Zertifizierung des Wahlsieges von Joe Biden. Trump hatte seinen "treuen Eckehard" aus Indiana bis zuletzt bedrängt, dem Demokraten Biden den Einzug ins Weiße Haus zu verweigern. Pence holte sich Rat bei früheren Vize-Präsidenten ein und blieb bei seiner Position. Tenor: Geht nicht, die Verfassung verbietet es mir. Trump war außer sich.

Pence wurde von Trump-Anhängern mit dem Tode bedroht. Demonstranten riefen am 6. Januar lautstark: "Hängt Mike Pence!". Am Rande des Kapitols war ein Galgen aufgebaut. Sicherheitsbeamte brachten die Nr. 2 im Staate in letzter Minute in Sicherheit.

US-Präsident Trumps damaliger Chefstratege Stephen Bannon, aufgenommen 2017 im Weißen Haus.
US-Präsident Trumps damaliger Chefstratege Stephen Bannon, aufgenommen 2017 im Weißen Haus. © dpa | Andrew Harnik

Trump begnadigte Bannon Anfang des Jahres

Von Jonathan Karl dazu im Frühjahr dieses Jahres befragt, verteidigte Trump den marodierenden Mob, der Pence nach dem Leben trachtete. Die Leute seien "sehr wütend" gewesen. "Wie kann man ein betrügerisches Wahlergebnis dem Kongress übergeben? Wie kann man so was machen?", sagte Trump ohne eine Wort der nachholenden Anteilnahme am Schicksal eines Mannes, der ihm vier Jahre auf Schritt und Tritt bedingungslos und loyal gefolgt war.

Was Steve Bannons Zukunft angeht: Trump kann ihm anders als Anfang dieses Jahres nicht mehr helfen. Damals, nur Stunden vor dem Ende seiner Amtszeit, begnadigte der 45. US-Präsident seinen ehemaligen Wegbegleiter. Steve Bannon war im Sommer 2020 wegen des Vorwurfs inhaftiert und angeklagt worden, Geld aus einer dubiosen Online-Spendenaktion zum Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko (Trumps Signatur-Projekt) für private Dinge zweckentfremdet zu haben.

P.S.: Bannon ist nicht der einzige prominente Trump-Jünger in Schwierigkeiten. Trumps früherer Stabschef Mark Meadows hat anders als rund 150 andere Zeugen ebenfalls Vorladungen des U-Ausschusses in den Wind geschossen. Auch ihm drohen nun strafrechtliche Konsequenzen.