Mexiko-Stadt/Washington. Das Bild ist kaum zu ertragen, verdeutlicht es doch auf brutale Weise das Drama der Migranten an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Sie fliehen vor Gewalt und Armut aus Mittelamerika, doch auf dem Weg in die Vereinigten Staaten lauert häufig der Tod.

Ein schockierendes Foto von der Grenze zwischen Mexiko und den USA berührt Menschen in aller Welt: Es zeigt nach Medienberichten die Leichen eines jungen Mannes und seiner knapp zweijährigen Tochter am Ufer des Rio Grande.

Der Mann und das Mädchen seien bei dem Versuch ertrunken, über den Grenzfluss illegal aus Mexiko in die USA zu gelangen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen identifizierte die Opfer als Óscar M. und Valeria aus El Salvador.

Die Regierung des mittelamerikanischen Landes sprach von einer "Tragödie" und sagte der Familie am Dienstag (Ortszeit) schnelle Hilfe zu. El Salvadors Staatschef Nayib Bukele habe angeordnet, die Leichen so schnell wie möglich heimzuholen, teilte das Präsidialamt mit. Auch solle die Familie finanziell unterstützt werden. "Eines Tages werden wir ein Land errichtet haben, wo solche Dinge nicht passieren und in dem Migration eine Option und nicht eine Notwendigkeit ist", wurde Bukele zitiert.

Außenministerin Alexandra Hill bat ihre Landsleute darum, sich auf dem Weg in die USA nicht in Gefahr zu bringen. "Ich bitte euch inständig: Geht das Risiko nicht ein. Ein Leben ist zu viel wert", sagte die sichtlich bewegte Ministerin bei einer Pressekonferenz. "Dass ein Mädchen sein Leben verliert, ertrunken in einem Fluss, ist nicht gerecht. Niemand sollte sich dieser Gefahr aussetzen."

Auf der ganzen Welt und in den sozialen Netzwerken löste das Foto der beiden Toten im Wasser Bestürzung und Trauer aus. Das Bild erinnert in seiner Wirkung an das Foto des dreijährigen syrischen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi, dessen Leiche im Spätsommer 2015 an einem Strand in der Türkei gefunden wurde.

Papst Franziskus reagierte bestürzt. "Der Papst ist zutiefst betrübt über ihren Tod, er betet für sie und alle Migranten, die ihr Leben verloren haben, während sie versucht haben, vor Krieg und Armut zu fliehen", sagte Vatikansprecher Alessandro Gisotti am Mittwoch.

Auch UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi zeigte sich geschockt. "Der Tod von Óscar und Valeria zeigt das Scheitern, etwas gegen die Gewalt und die Hoffnungslosigkeit zu tun, die die Menschen dazu zwingt, sich für ein Leben in Sicherheit und Würde auf gefährliche Reisen zu begeben", sagte er.

Das Unglück im Grenzgebiet zwischen Mexiko und den USA ereignete sich bereits am Sonntag, wie das salvadorianische Außenministerium mitteilte. Laut einem Bericht der mexikanischen Zeitung "La Jornada", die das Foto des Vaters und seiner Tochter zuerst veröffentlichte, hätten der etwa 25-jährige Mann und seine 21 Jahre alte Frau versucht, mit ihrer kleinen Tochter am Grenzort Matamoros den Fluss zu überqueren, um von Mexiko aus nach Texas zu gelangen.

Zunächst habe der Vater das kleine Mädchen auf der US-Seite am Ufer abgesetzt. Dann sei er zur mexikanischen Seite zurückgekehrt, um seine Frau zu holen. In dem Moment sei die Tochter ins Wasser gesprungen. Der Vater habe sie noch greifen können, beide seien dann aber von der starken Strömung mitgerissen worden, zitierte "La Jornada" die Frau. Nach einer stundenlangen Suche hätten Rettungskräfte die beiden Leichen dann am Montag rund 500 Meter entfernt entdeckt.

Die Familie habe seit rund zwei Monaten in einem Migrantenlager gelebt und auf die Gelegenheit gewartet, in den USA Asyl zu beantragen, sagte die Frau weiter. Ihre Schwiegermutter sagte der Zeitung "La Prensa Gráfica" in El Salvador, sie habe versucht, ihren Sohn von dem Vorhaben abzubringen: "Ich habe ihn gebeten, den amerikanischen Traum nicht zu verfolgen."

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador sagte auf einer Pressekonferenz: "Wir haben immer verurteilt, dass wegen der gestiegenen Ablehnung in den USA Menschen in der Wüste oder beim Überqueren des Río Bravo (Anm. d. Red.: das ist der mexikanische Name für den Rio Grande) das Leben verlieren."

Der Fraktionschef der oppositionellen Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, zeigte das Foto mit den beiden Toten am Mittwoch bei einer Sitzung der Kammer. "Präsident (Donald) Trump, ich will, dass Sie sich dieses Foto anschauen", sagte er. "Das sind keine Drogendealer oder Landstreicher oder Kriminelle. Das sind Menschen, die einfach vor einer furchtbaren Lage in ihren Heimatländern fliehen." An die Adresse Trumps fügte Schumer hinzu: "Sie kontrollieren, was an der Grenze passiert. Und vieles von dem, was an der Grenze passiert, kommt von dem Chaos und Missmanagement in ihrer Regierung."

Trump sagte dagegen vor seiner Abreise zum G20-Gipfel in Osaka, würden die Demokraten einer Reform der Migrationsgesetze zustimmen, würde es zu solchen tödlichen Vorfällen nicht kommen. "Wenn wir die richtigen Gesetze hätten, die die Demokraten uns nicht haben lassen, würden die Menschen nicht hochkommen, sie würden es nicht versuchen." Trump behauptete erneut, die Demokraten wollten offene Grenzen. "Offene Grenzen bedeuten, dass Menschen in den Flüssen ertrinken."

Die Situation an der Grenze zwischen Mexiko und den USA hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch zugespitzt. Allein im Mai setzten US-Grenzpolizisten mehr als 144 000 Menschen vorwiegend aus Mittelamerika fest, die vor Gewalt und Armut in ihren Heimatländern geflüchtet waren. US-Präsident Donald Trump rief einen Notstand an der Grenze zu Mexiko aus und will dort eine Mauer bauen.

Nach einer Einigung im Streit mit den USA um Migration und Zölle hat Mexiko inzwischen knapp 15 000 Soldaten an der Grenze zwischen beiden Ländern eingesetzt. Sie unterstützten die nationale Migrationsbehörde dabei, irreguläre Grenzübertritte in Richtung USA zu verhindern, sagte Verteidigungsminister Luis Cresencio Sandoval.

Vorsicht, verstörendender Inhalt: Hier sehen Sie die Bilder der Ertrunkenen.