Berlin. Die Zahl der Rechtsextremisten ist laut Verfassungsschutz erneut gestiegen. Ein Problem sind Männer, die sich in Chats radikalisieren.

Wie schwierig das Problem zu greifen ist, zeigt schon der sperrige Name: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ heißt die Kategorie, die der Verfassungsschutz im vorigen Jahr einführte, weil der radikalisierte Teil der Demons­tranten gegen die Corona-Maßnahmen in keine der anderen so recht passen wollte. Jetzt kommen die Akteure dieser Szene erstmals im Verfassungsschutzbericht vor, den Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Dienstag vorstellten.

Eine „sehr heterogene Protestszene“ sei in der Pandemie gewachsen, sagte Haldenwang. Dort fänden Verschwörungstheorien, das Schüren antisemitischer Ressentiments und Gewaltbereitschaft einen fruchtbaren Boden. Verbindendes Element der Beteiligten: „die kategorische Ablehnung der von Bund und Ländern getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung“. Und in der Folge bei einem Teil von ihnen: „eine fundamentale Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung und ihrer Institutionen“.

Verfassungschutz: Zahl der Rechtsextremisten steigt weiter

Nur: Wie groß dieser Teil ist, wie viele Menschen wirklich „verfassungsschutzrelevant“ gegen den Staat sind, darüber gibt der Bericht noch keine Auskunft. Das Phänomen sei noch jung, und man wolle sorgfältig vorgehen, sagte Haldenwang. 2023 soll es dann eine Statistik geben.

In anderen Bereichen gibt es die längst, und sie weist ein wachsendes Problem aus: Das Personenpotenzial im rechtsex­tremistischen Spektrum wuchs 2021 um rund 1,8 Prozent auf 33.900 Menschen. Knapp 40 Prozent von ihnen schätzt der Verfassungsschutz als gewaltorientiert ein – auf „unverändert hohem Niveau“, wie es heißt. Die Gesamtzahl rechter Straf- und Gewalttaten ging allerdings um 9,6 Prozent auf rund 20.200 zurück.

Rechtsextremisten: „Eine regelrechte Amoktäter-Fanszene“

Rechtsextremismus, betonten sowohl Faeser als auch Haldenwang, sei weiter die größte Bedrohung. Dabei stehen laut Haldenwang selbst radikalisierte und einzeln agierende Täter besonders im Fokus, zumal dieser Personenkreis immer jünger werde. „Wir stellen eine regelrechte Amoktäter-Fanszene fest, die Nachahmer sucht“, sagte der Chef der Kölner Behörde.

Auch die Zahl der Menschen, die der Verfassungsschutz als linksextrem einstuft, ist voriges Jahr leicht gestiegen, um 400 Personen auf 34.700. Rund ein Drittel davon ist nach Einschätzung der Behörde ebenfalls gewaltbereit. Sorgen bereiten ihr zudem die Aktivitäten ausländischer Geheimdienste. Die sind nach Ein­schätzung Haldenwangs inzwischen wieder auf dem Niveau der Zeit des Kalten Krieges.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.