Berlin. Minister Özdemir will die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse abschaffen. Sozialverbände begrüßen das – doch es regt sich Widerstand.

In Spanien hat die Regierung unlängst angekündigt, dass sie die Mehrwertsteuer von vier Prozent auf Grundnahrungsmittel für ein halbes Jahr streichen wolle. Das gilt für Produkte wie Brot, Gemüse, Getreide, Obst, Milch und Käse. Für Teigwaren und Speiseöle soll der Satz von zehn auf fünf Prozent halbiert werden. Vor allem ärmere Menschen sollen dadurch finanziell entlastet werden.

Nun kommt auch in Deutschland wieder Schwung in die Debatte. „Ich persönlich habe große Sympathien dafür, die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf Null zu setzen. Das würde auch das Signal setzen, dass gesunde Ernährung günstiger ist. Gute Ernährung darf nicht am Geldbeutel scheitern“, hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) im Interview mit unserer Redaktion gesagt.

Mehrwertsteuer: Sozialverband fordert schnelle Senkung

Unterstützung erhält Özdemir von Sozialverbänden und Verbraucherschützern. So fordert der Sozialverband VdK von der Ampel-Koalition, für Deutschland rasch ein ähnliches Gesetz wie in Spanien auf den Weg zu bringen. Das sei „längst überfällig“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele unserer Redaktion. „Angesichts einer Inflation von 8,6 Prozent darf die Bundesregierung nicht länger zögern.“ Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auszusetzen, helfe Menschen mit niedrigen Einkommen „überproportional“ stark.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) drängt auf eine Abschaffung der Mehrwertsteuer. „Eine gesunde und nachhaltige Ernährung darf keine Frage des Geldbeutels sein“, sagte vzbv-Lebensmittelexpertin Christiane Seidel unserer Redaktion. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel könne „zumindest einen kleinen Beitrag zur Entlastung leisten und einen Anreiz für eine gesündere und nachhaltige Ernährung setzen“, so Seidel. Das Instrument sei „sehr wirksam und kurzfristig umsetzbar“.

Deutsche Diabetes Gesellschaft: Spanisches Modell ist sehr zu begrüßen

Eine dauerhafte „gesunde Mehrwertsteuer“ wünscht sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und versteht darunter die komplette Mehrwertsteuerbefreiung bei Lebensmitteln wie Obst und Gemüse sowie eine gleichzeitige Herstellerabgabe auf gesüßte Erfrischungsgetränke.

Kurzfristig sei aber auch das spanische Modell „sehr zu begrüßen“, befand DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. Der Deutsche Bauernverband befürwortet eine Aussetzung der Mehrwertsteuer zwar generell. „Allerdings“, schränkte sein stellvertretender Generalsekretär Udo Hemmerling ein, „sollten dann alle Lebensmittel ermäßigt werden.“

Widerstand vom Bundesfinanzministerium

Als „falsche Stellschraube“ bezeichnet dagegen der Handelsverband Deutschland (HDE) eine Abschaffung oder Aussetzung der Mehrwertsteuer.

Ein Sprecher betonte, dass Preisbremsen sowie andere Hilfen bei den Energiekosten bessere Instrumente seien, um die Inflationsfolgen zu mildern. Ohnehin sei das Mehrwertsteuerrecht relativ kompliziert und mit hohen Verwaltungskosten verbunden. Weitere Eingriffe könnten diese Kosten erhöhen.

Auch das Bundesfinanzministerium bremst: Die Ampel verfolge aktuell „keine Planungen“, die geltenden Steuern von sieben beziehungsweise 16 Prozent zu ändern.