Washington. Der Rapper Kanye West räumt ein: Er will mit seiner Präsidentschaftskandidatur Kandidatur Joe Biden schaden und Donald Trump helfen.

Wenn Donald Trump drei Monate vor der Wahl auf die Umfragen blickt, sieht es bei einer Bevölkerungsgruppe besonders duster aus. Afro-Amerikaner tendieren zu 70 Prozent aufwärts konstant zu seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden.

Trumps Lavieren nach den jüngsten Fällen von tödlicher Polizei-Brutalität hat den Widerstand in der „black community” gegen den beileibe nicht über jeden Rassismus-Verdacht erhabenen Amtsinhaber noch verstärkt. Was kann man da tun? Vielleicht einen Dritt-Kandidaten mit hohem Bekanntheitsgrad kanalarbeitermäßig unterstützen? In der Hoffnung, dass der „Strohmann” in entscheidenden Bundesstaaten am 3. November ein paar zehntausend Stimmen von Biden absaugt?

Die Idee klingt nach mittelprächtigem Drehbuch für eine Polit-TV-Serie. Allein, seit einigen Tagen mehren sich die Anzeichen, dass der Plan sehr real sein könnte. Der Strohmann heißt Kanye West. Seit der schwarze Rap-Musik-Star am amerikanischen Unabhängigkeitstag Anfang Juli seine Last-Minute-Kandidatur für das Weiße Haus bekanntgab, wird über die Motive des 43-Jährigen gerätselt, der bei öffentlichen Auftritten zuletzt auf bedrückende Weise unter Tränen seine schwere psychische Krankheit (bipolar) auslebte.

Kanye West brach bei der ersten Veranstaltung nach Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur in Tränen aus.
Kanye West brach bei der ersten Veranstaltung nach Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur in Tränen aus. © dpa | Lauren Petracca Ipetracca

Präsidentschaftskandidatur von Kanye West: Ein PR-Stunt?

Weil in vielen Bundesstaaten die Fristen für Anträge, auf den Stimmzettel zu kommen, bereits abgelaufen sind oder demnächst verstreichen, hält sich der Verdacht eines PR-Stunts; zumal West lange Zeit seine Verbundenheit zu Amtsinhaber Trump bekundet hat. Warum dann gegen ihn antreten?

Der Spekulation, dass sich West als „U-Boot” für Trump einspannen lässt, darf nun als beglaubigt gelten. Gegenüber dem Magazin „Forbes” bestätigte West, dass seine Kandidatur Biden schaden soll. „Ich leugne das nicht”, erklärte er in einer Text-Mitteilung auf eine entsprechenden Frage.

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Vor diesem Hintergrund erscheinen auffällige personelle Konstellationen, die in etlichen Bundesstaaten zu beobachten sind, plötzlich plausibel. In Vermont, Arkansas, Colorado, Missouri, West Virginia, Illinois und andernorts helfen republikanische Alliierte von Donald Trump mit, um West dort formal „wählbar” zu machen.

In Wisconsin wurde die Juristin Lane Ruhland sogar dabei gefilmt, wie sie die nötigen Unterschriften für die Kandidatur von West Minuten vor Fristablauf zum zuständigen Wahlamt brachte. Ruhland vertrat zuletzt die republikanische Partei Wisconsins bei einem Rechtsstreit um Trump-Angelegenheiten.

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Nach Angaben von Wahlbeobachtern kann West bis zum Beginn der ersten vorgezogenen Stimmabgaben in rund sechs Wochen (per Briefwahl) gar nicht mehr in genügend Bundesstaaten auf den Wahlzettel kommen, um rein rechnerisch 270 Wahlmänner-Stimmen im „Electoral College” auf sich zu vereinigen – die Voraussetzung für den Einzug ins Weiße Haus. In South Carolina und New Jersey wurde der Behördengang sogar verbockt. Auch in Kansas, New York, Texas, Maryland und Nebraska ist West raus, sagen die zuständigen Wahl-Kommissionen.

Gleichwohl besteht der Sänger und Designer darauf, es mit seiner Kandidatur ernst zu meinen. Ob die Rechnung aufgehen kann – West zieht Stimmen aus dem Biden-Lager ab, wovon Trump profitieren soll –, ist aus Sicht von Wahlforschern ungewiss. Weil West mit teilweise abstrusen Begründungen (Trump sorge dafür, dass Gott im Leben in Amerika wieder eine gebührenden Rolle spiele) dem Amtsinhaber die Stange hält, ihn sogar öffentlich verehrt, sei denkbar, dass „schwarze Wählerinnen und Wähler erst recht bei Biden ihr Kreuz machen”, sagte ein Experte der Denkfabrik Brookings.

Sollte es West jedoch gelingen, um die 100.000 Stimmen auf sich zu vereinigen, könnte er in einigen Bundesstaaten das Zünglein an der Waage sein. Zur Einordnung: Trump gewann 2016 die wichtigen Bundesstaaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania mit insgesamt 77.000 Stimmen Vorsprung vor Hillary Clinton – und damit die Wahl.

Selbst Ehefrau Kim Kardashian warnte, Kanye Wests Absichtserklärung nicht ganz so ernst zu nehmen.
Selbst Ehefrau Kim Kardashian warnte, Kanye Wests Absichtserklärung nicht ganz so ernst zu nehmen. © dpa | Justin Lane

Trump und seine Wahlkampfführung betonen, sie hätten nichts mit angeblicher Schützenhilfe für West zu tun. Über allem steht die freundliche Warnung von Wests Gattin Kim Kardashian, die zuletzt ihr Ehe-Zerwürfnis in aller Öffentlichkeit austrug und um Nachsicht für die „bipolare Störung” ihres Mannes warb und vor voreiligen Schlüssen warnt: „Wer Kanye nah ist, weiß, dass seine Worte manchmal nicht mit seinen Absichten übereinstimmen.”

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