Berlin/Paris/Madrid. Noch im Frühjahr gab es sehr viel mehr schwere Corona-Verläufe. Woran liegt das genau? Dafür dürfte es gleich mehrere Gründe geben.

  • Während die Zahl der Corona-Infektionen immer weiter steigt, stagnieren die Todeszahlen
  • Der Anteil der Verstorbenen unter allen Infizieren liegt derzeit unter ein Prozent
  • Virologen wie Christian Drosten sehen verschiedene Gründe dafür

Es sind zwei Kurven, mit denen sich die Pandemie am Anfang des Herbstes fassen lässt: Die Zahl der Neuinfektionen erinnert aktuell in vielen europäischen Ländern, besonders in Spanien und Frankreich, an die erste schwere Corona-Welle.

Auch in Deutschland steigt die Zahl der neuen Fälle wieder stark an. Doch obwohl die Neuinfektionen steigen, ist die Zahl der Todesfälle in Teilen Europas vergleichsweise niedrig. Heißt: Corona tötet nicht mehr so oft wie zu Beginn der Pandemie. Doch woran liegt das?

Christian Drosten thematisiert Corona-Entwicklung auf Twitter

Die aktuelle Entwicklung greift der Virologe Christian Drosten auch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter auf. Er sieht für den derzeitigen Trend vor allem zwei Gründe: Erstens erkrankten zurzeit eher jüngere Menschen, zweitens werde mehr als zuvor getestet.

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Welche Unterschiede zeigen sich noch im Vergleich zum Frühjahr. Wir haben einige der wichtigsten Faktoren gesammelt und blicken auch auf andere europäische Länder.

Lesen Sie hier: Diese Länder sind Corona-Risikogebiete

Corona: Entwicklung der Neuinfektionen und Todesfälle

Die Zahl der Neuinfektionen steigt, die der Todesfälle ist seit April deutlich gesunken.
Die Zahl der Neuinfektionen steigt, die der Todesfälle ist seit April deutlich gesunken. © funkegrafik nrw | Marc Büttner

1. Weniger Todesfälle: Infizieren sich heute andere Bevölkerungsgruppen?

Beispiel Spanien: Das Land ist derzeit das am schlimmsten betroffene in Europa mit mittlerweile mehr als einer halben Million nachgewiesenen Corona-Fällen. Täglich werden derzeit rund 9000 neue Corona-Infektionen regis­triert – Tendenz steigend.

  • Anders als auf dem Höhepunkt der Epidemie im März und April haben aber die meisten Betroffenen nur leichte oder gar keine Symptome.
  • Etwa sieben Prozent der Infizierten müssen im Krankenhaus behandelt werden. Bei der ersten Welle im März und April musste noch jeder Zweite ins Hospital.
  • Entsprechend ist nun auch die Zahl der Todesfälle sehr viel geringer. Momentan werden pro Tag 34 bis 50 Todesopfer registriert – weit weniger als im Frühjahr, als es an manchen Tagen bis zu 900 Tote gab.

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Ein wichtiger Grund für die Entwicklung: In Spanien ist das mittlere Alter der Infizierten in diesem Sommer von über 60 auf unter 40 gesunken, die Mehrheit der aktuellen Corona-Kranken ist gesundheitlich robuster und hat weniger Begleiterkrankungen. Lesen Sie hier: Aktuelle Nachrichten zum Coronavirus im News-Ticker

Beispiel Deutschland: Auch die RKI-Zahlen zeigen einen deutlichen Trend beim Infektionsgeschehen:

Das Durchschnittsalter der neu erfassten Covid-19-Fälle ist nach RKI-Angaben innerhalb der letzten Wochen auf einen Mittelwert von 33 Jahren gesunken – im Gegensatz zum Beginn der Pandemie, als das mittlere Alter der Neuinfizierten noch bei über 50 Jahren lag. Auch interessant: Wann das Coronavirus auch für junge Menschen gefährlich werden kann.

  • Grund dafür sind unter anderem der bessere Schutz von Risikogruppen einerseits.
  • Und andererseits die höhere Risikobereitschaft von Jüngeren mit Blick auf Reisen und Feiern.
  • Weil Jüngere jedoch seltener schwer erkranken, schlagen sich die wieder gestiegenen Infektionszahlen nicht in einer höheren Zahl von Todesfällen nieder.

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    Beispiel Frankreich: Hier steigen die Fallzahlen seit Wochen dramatisch an – mit knapp 9000 Neuinfektionen kam es am vergangenen Sonnabend zu einem neuen Rekordwert.

    • Insgesamt wurden innerhalb einer Woche 42.673 Neuinfektionen registriert, der Anteil positiver Testergebnisse stieg von 4,2 Prozent in der Vorwoche auf 5,1 Prozent.
    • 28 von 99 De­par­te­ments gelten inzwischen als Risikogebiete, weil dort die tägliche Zahl der Neuinfektionen den Wert von 50 positiven Tests je 100.000 Einwohner überschreitet.
    • Gleichzeitig steigt die Zahl der Franzosen, die wegen des Virus im Krankenhaus behandelt werden müssen oder ihm zum Opfer fallen, wieder an.
    • Lesen Sie auch: Verdacht: Schwere Covid-19-Verläufe durch dreckige Luft

    Im Vergleich mit den hohen Fallzahlen der ersten Welle ist dieser Anstieg „beinahe lächerlich gering“, konstatiert Gesundheitsminister Olivier Véran.

    Ein wichtiger Grund dafür dürfte auch hier die Tatsache sein, dass die meisten Neuinfektionen derzeit auf die Altersgruppe der 16- bis 40-Jährigen entfallen – dort, wo Hygiene- und Abstandspflichten zunehmend vernachlässigt werden.

    Für alle drei Länder gilt zudem:

    1. Durch das systematische, präventive Testen werden auch Infizierte ohne Beschwerden registriert, die während der ersten Welle möglicherweise gar nicht aufgefallen wären.
    2. Auch diese Fälle treiben die Infektionszahlen in die Höhe – während die Zahl der Todesfälle weiter niedrig bleibt.

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      2. Hat sich die Behandlung von Covid-19-Patienten verbessert?

      Im letzten halben Jahr haben die Teams auf den Intensivstationen viel über das Virus gelernt – und können heute viel effektiver verhindern, dass eine Infektion einen tödlichen Verlauf nimmt. Während selbst erfahrene Intensivmediziner zu Beginn der Pandemie angesichts eines unbekannten Erregers therapeutisches Neuland betraten, sind mittlerweile zahlreiche Studien erschienen, die erfolgreiche Behandlungsmethoden aufzeigen und Komplikationen eindämmen. Lesen Sie hier: Drosten reagiert ernüchternd auf Dutzende Infektionen bei Schülern.

      Das gilt auch für den Medikamenteneinsatz: Für die Therapie von Patienten mit schwerem Verlauf etwa wurde das Ebola-Medikament Remdesivir europaweit mit Einschränkungen zugelassen. Hinzu kommt: Durch frühzeitige Tests und weit verbreitetes Wissen über Anfangssymptome und kritische Verläufe werden Patienten heute viel eher behandelt – auch das kann die Überlebenschancen deutlich erhöhen.

      Spanische Experten beobachten diesen Zusammenhang ebenfalls: Dank größerer Testkapazitäten werden die Infizierungen hier frühzeitiger entdeckt, sodass auch die Behandlung schneller beginnen kann und Komplikationen reduziert werden.

      3. Ist das Corona-Virus selbst auch schwächer geworden?

      Viren verändern sich, sie können mutieren und so gefährlicher oder harmloser werden, infektiöser oder weniger infektiös. Bislang haben Forscher jedoch keine hinreichenden Belege dafür, dass sich das Sars-CoV-2-Virus im Laufe der Pandemie abgeschwächt hat: Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich das Virus bereits so verändert habe, dass es weniger gefährlich sei, sagt der Berliner Virologe Christian Drosten.

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        Auch in anderen Ländern sind die Zweifel groß: Spanische Epidemiologen betonen, dass Sars-CoV-2 nichts von seiner Virulenz verloren habe. „Die Infektionen“, warnen die beiden Virusforscher Fernando González Candelas und Óscar Zurriaga in einer neuen Studie, „haben „denselben potenziellen Schweregrad“ wie im Frühjahr. Lesen Sie hier: Wird Corona wirklich schwächer?

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