Brüssel/Berlin. . Die slowakische Arzneimittelbehörde hat Zweifel an Sputnik V: Die Lieferungen hätten „nur den Namen gemeinsam“. Moskau ist empört.

Die deutsch-russischen Verhandlungen über den Kauf des Corona-Impfstoffs Sputnik V haben gerade erst begonnen, da steht in der Europäischen Union ein brisanter Verdacht im Raum: Liefert Russland verschiedene Versionen des Impfstoffs aus, die nicht identisch sind mit dem von internationalen Experten begutachteten Vakzin?

Diese Vermutung äußern jetzt staatliche Kontrolleure in der Slowakei. Das kleine EU-Land hat bereits 200.000 von 2 Millionen georderten Impfdosen des russischen Vakzins erhalten, aber noch nicht für den Einsatz freigegeben. Erst sollte das staatliche Arznei-Kontrollinstitut SUKL die Lieferung prüfen. Dessen Stellungnahme, die unserer Redaktion vorliegt, hat es in sich: Die in viele Länder ausgelieferten Sputnik-Vakzine „haben nur den Namen gemeinsam“, heißt es darin.

In einigen Fällen „scheint es sich um Impfstoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften zu handeln“, schreiben die Experten unter Hinweis auf „unterschiedliche Lagerbedingungen, Zusammensetzung und Herstellungsverfahren“.

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Sputnik V: Russland spricht von einer Desinformationskampagne

Der SUKL-Bericht moniert, die untersuchte Charge habe nicht die gleichen Merkmale und Eigenschaften wie jene Chargen, deren klinische Testergebnisse in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht worden waren; dort war dem Vakzin Anfang Februar eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent attestiert worden. Die slowakische Charge stimme auch nicht mit den Daten überein, die der Hersteller der EU-Arzneimittelbehörde EMA übermittelt habe.

Wiederholten Anfragen zur Zusammensetzung der Dosen und den klinischen Studien habe der russische Hersteller größtenteils nicht beantwortet. Allerdings enthält der Bericht anderseits keine Hinweise auf mögliche Risiken. Die vorgenommenen Labortests habe das Vakzin bestanden.

Das russische Gamaleja-Institut, das den Impfstoff entwickelt hat, weist die Vorwürfe ohnehin zurück und erklärt, alle Sputnik-Chargen seien von gleicher Qualität und unterlägen der gleichen Qualitätskontrolle. Der Lieferant des Vakzins, der Direktinvestmentfonds RDIF, wirft nun den slowakischen Experten vor, eine „Desinformationskampagne“ gegen das Vakzin zu unternehmen, und fordert die Rückgabe des Impfstoffs, damit er anderswo verwendet werden könne.

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Sputnik V in der Solwakei: Vorerst keine Genehmigung

Der ungewöhnliche Schlagabtausch ist neuer Höhepunkt einer Sputnik-Affäre in der Slowakei: Der bisherige Regierungschef Igor Matovic hatte den Impfstoff eigenmächtig und gegen den Willen seiner Koalitionspartner bestellt, musste deshalb zurücktreten und ist nun Finanzminister. Die Vorwürfe der slowakischen Kontrolleure nennt Matovic eine böswillige „Verschwörung aus geopolitischen Gründen“, am Donnerstag flog er deshalb zu Gesprächen nach Moskau.

Doch hatte die slowakische Regierung vereinbart, dass Sputnik V erst nach einer positiven Prüfung durch das staatliche Arzneimittel-Institut eingesetzt werden darf. Und diese Genehmigung wird es ohne zusätzliche Daten aus Moskau nicht geben - anders als in Ungarn, das Sputnik bereits seit vielen Wochen nach einer Notzulassung einsetzt.

Sputnik V in Deutschland: Bayern hat schon bestellt

Die Vorgänge dürften die Sputnik-Debatte auch hierzulande anheizen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, dass Deutschland auf eigene Faust mit Russland über den Kauf des Impfstoffs verhandelt, nachdem die EU-Kommission diese Woche erneut den Abschluss von Lieferverträgen mit Moskau abgelehnt hatte.

Bayern hat sogar schon einen Vorvertrag über 2,5 Millionen Impfdosen abgeschlossen. Anders als die Slowakei und Ungarn will die Bundesregierung aber eine Zulassung durch die EU-Arzneimittelagentur EMA abwarten. Die dürfte frühestens im Juni vorliegen – bislang liegt noch gar kein formeller Zulassungsantrag vor, stattdessen werden in einer Art Vorprüfung Dokumente gesichtet und der Bedarf an zusätzlichen Daten ermittelt.

Corona: Astrazeneca bekommt neuen Namen

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    EU-Kommission zweifelt an zügiger Lieferung von Sputnik

    In der EU-Kommission wird bezweifelt, dass der Sputnik-Impfstoff so rechtzeitig zur Verfügung steht, dass er in Europa noch für die laufende Impfkampagne gebraucht würde. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im Interview mit unserer Redaktion kürzlich gesagt, im EU-Zulassungsverfahren gehe es nicht nur um das Vakzin selbst, sondern auch um die Qualität der Fabriken. Lesen Sie dazu: Sputnik V – Warum viele auf den russischen Impfstoff hoffen

    Für jedes von der EMA zugelassene Vakzin müsse es von der Behörde autorisierte Fabriken geben. Bislang fehlten Belege, „dass es für den Sputnik-Impfstoff entsprechende Produktionskapazitäten gäbe“, sagte von der Leyen.

    EU-Industriekommissar Thierry Breton erklärt deshalb, dass vor einer möglichen ersten Lieferung von Sputnik andere Hersteller in der EU bereits mehr als 500 Millionen Impfdosen ausgeliefert haben werden. Der CDU-Europaabgeordnete und Mediziner Peter Liese verweist darauf, dass Sputnik auf dem gleichen Prinzip wie das Vakzin von Astrazeneca beruhe. Es sei durchaus möglich, dass es auch die gleichen Probleme mit Thrombosen gebe, meint Liese.