Eisenach. Mit einer Hörschleife sind jetzt alle Zuschauer des Theaters am Markt in Eisenach akustisch der Wende auf der Spur.

Das Theater am Markt ermöglicht seit kurzem Kultur für alle. Dank der Ringschleife im Zuschauerraum können nun auch Hörgeschädigte das Bühnengeschehen deutlich verstehen, indem der Vortrag per Mikrofon an der Bühnendecke direkt auf die T-Spule des Hörgeräts geleitet wird. Uta Lapp, Vorsitzende des Schwerhörigenvereins Eisenach, hat die Ringschleife getestet und ist begeistert.

Seit kurzem ist der Zuschauerraum des Tam ausgestattet mit einer induktiven Hörschleife. Hörgeschädigte können ihre Hörgeräte einfach auf die T-Spule umschalten.
Seit kurzem ist der Zuschauerraum des Tam ausgestattet mit einer induktiven Hörschleife. Hörgeschädigte können ihre Hörgeräte einfach auf die T-Spule umschalten. © Stefanie Krauß

Geräusche im Zuschauerraum bleiben unbemerkt, selbst leises Getuschel unter den Darstellern ist dafür hörbar. Eine nächste Gelegenheit für Besucher mit und ohne Hörgeräte bietet sich am kommenden Freitag, 15. November, wenn um 19.30 Uhr das Stück „Wie viel mensch…? Gedanken und Briefe aus dem Jahr 1989“ gezeigt wird. Gesponsert worden sind Aufführungen und Hörschleife vom Diakonischen Bildungsinstitut (DBI) Johannes Falk.

Politische Bildung über die Theaterbühne Dia-Projektor, Plattenspieler, Stern-Rekorder – an den Requisiten „made in GDR“ klebt sogar noch der VEB-Zettel. Das Bühnenbild wirkt authentisch „grau in grau“, umso intensiver kommen die verschiedenen Emotionen zum Ausdruck, die den Protagonisten Micha in der Wendezeit ‘89 umtreiben: Gerade ist seine Schwester Jana von ihrer Westreise nicht zurückgekehrt, keiner aus der Familie wusste von ihrem Plan, und während Micha noch darüber nachgrübelt, welche Repressalien nun wohl zu erwarten sind, kommen die Menschen überall zu Friedensgebeten und Demonstrationen zusammen, auch in Gotha. Micha schreibt seiner Schwester und einem Freund von den hoffnungsbeladenen Bewegungen in der Heimatstadt und andernorts. Aus elf Briefen erschließen sich dem Zuschauer die letzten Monate der DDR aus der Sicht eines jungen Menschen, der sich mit dem real existierenden Sozialismus der DDR schwertat, in jenem Wendejahr von einem Land zu träumen anfing, in dem Mitbeteiligung und Freiheit gelebt werden können, und dafür selbst aktiv wurde. „Die Figur des ‚Micha‘ ist weit weg von mir“, sagt Martin Bertram, der die Rolle spielt. Der Autor des Stückes, Mathias Wienecke, habe viel Autobiographisches einfließen lassen, was dramaturgisch ausgearbeitet wurde. Den Schauspieler faszinieren der Mut der Menschen, ihr Aufstehen und ihr Engagement. Die Botschaft jeder Aufführung: „sie soll mobilisieren, sie soll dazu ermuntern, den Mund aufzumachen, sich zu engagieren und an jeder Veränderung zum Besseren aktiv teilzunehmen. Heute ist Freiheit und Demokratie selbstverständlich geworden, doch Freiheit und Demokratie sind das größte Geschenk unserer Zeit, möge uns das immer im Bewusstsein bleiben.“ Ein Jahrzehnt spielt Martin Bertram das Stück, uraufgeführt nach dem 20. Jahrestag der friedlichen Revolution 2009, gab es 2014 eine zweite und jetzt die dritte Tournee zum 30. Jubiläum des Stücks.

„2009 schilderten Schüler noch eigene Erinnerungen an die Wende, jetzt natürlich nicht mehr“, sagt Bertram. Der Titel „Wie viel mensch…“ impliziert Fragen, beispielsweise wieviel Lebendigkeit und Menschlichkeit in der DDR auszuleben war, wieviel man ertragen konnte oder musste, und wieviel „Mensch“ schließlich notwendig war, um trotz alledem den Frieden zu bewahren.

Nach zahlreichen Schultouren freut sich Martin Bertram sehr auf die beiden Auftritte im Theater am Markt Freitag, 15. November, und am Samstag, 23. November, jeweils um 19.30 Uhr und auf die „echte Bühnenluft“.