Gera. 25 erfolgreiche Jahre Kinder-und Jugendschutzdienst bei Schlupfwinkel und Sorgentelefon Gera

„Was ist ein gutes, was ein schlechtes Geheimnis? Was soll ich machen, wenn mich jemand anfasst, ohne dass ich es will? Wer hilft mir?“ Antwort auf solche und Fragen zu ihren Rechten und ihrem Schutz erhalten beim Kinderschutzparcours Schüler der 4. Klassen der Zwötzener Grundschule.

Entwickelt wurde die präventive Mitmachaktion von der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Thüringen. In die Zwötzener Schule gebracht hat sie der Geraer Kinder- und Jugendschutzdienst vom Verein Schlupfwinkel und Sorgentelefon. Diese Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche, die von körperlicher, seelischer, sexueller Misshandlung und Vernachlässigung betroffen sind, und auch Eltern und Angehörige berät und betreut, feiert heute ihr 25-jähriges Bestehen.

1994 beginnt behutsame Arbeit

Gisela Göldner, Leiterin des vierköpfigen Beraterteams ist von Anfang an dabei: „Das Konzept kam aus Rheinland-Pfalz. Damals gab es schon fünf Jahre unseren Schlupfwinkel. Wozu noch eine Beratungsstelle, fragten wir uns. Doch die Praxis gab uns Recht.“ Waren es 1995 nur 35 Fälle, die man betreute, stieg die Zahl 2011 auf 131 Kinder und Jugendliche. „Ein Vierteljahrhundert haben wir 1949 Mädchen und Jungen angehört, getröstet, ihnen im Gerichtssaal die Hand gehalten und weiter geholfen, indem die Gewaltsituation beendet und Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. In akuten Krisensituationen gehen wir vor Ort, in die Schule oder in die Wohnung.“ Oft erstrecke sich die Betreuung über lange Zeit. „Bei der ersten Liebe kommen einige zu uns zurück, wenn Langzeitfolgen sie an den Missbrauch erinnern“, sagt sie.

Noch immer sei Gewalt an Kindern, vor allem sexueller Missbrauch, ein Angst besetztes Thema. Mit Vorurteilen und Abwiegeln wie „Bei uns kommt so was nicht vor. So eine frühe Aufklärung wollen wir nicht für unser Kind“ sehen sich die Kinderschutzexpertinnen konfrontiert. Fachlich hoch qualifiziert sind Gisela Göldner und Kati Dutsch als Diplomsozialpädagoginnen und Traumaberaterinnen sowie die beiden jungen Erziehungswissenschaftlerinnen Tamina Henze und Linda Petheö. Sie teilen sich zu viert drei Vollzeitstellen. Ständige Qualifizierung präge die Beratungsqualität, so Gisela Göldner.

„Als einer der ältesten Kinderschutzdienste im Freistaat bringen wir fachpolitische Themen voran und arbeiten nach Qualitätskriterien des Landesjugendhilfeausschusses. Da gibt es keinen Stillstand.“ So kämen beispielsweise die Sexualstraftäter nicht nur aus dem sozialen Umfeld. Das Spektrum sexuellen Missbrauchs habe sich erweitert auf sexuelle Übergriffe durch Kinder und Jugendliche, es gehe um Internet und sexuelle Gewalt, institutionellen Missbrauch und Täterstrategien. So würden Täter durch Berufswahl oder Ehrenamt gezielt auf sexuellen Missbrauch hinarbeiten und geschickt Kontakte mit ihren Opfern anbahnen.

Wenn solch ein Verbrechen aufgedeckt wird, sind die Aussagen der Kinder als Zeugen unabdingbar für die Strafverfolgung. „Doch wir als Kinderschützer haben auch die Pflicht, die traumatisierten Kinder vor weiteren Belastungen wie Schuldzuweisungen durch die Familie zu bewahren“, erklärt Gisela Göldner. So habe sich ein gutes Miteinander mit den Polizeibeamten entwickelt, gestützt durch die geänderte Verjährungsfrist bei Straftaten. Enge Partner des Schutzdienstes sind in Gera unter anderen das Jugendamt, Erziehungsberatungsstellen, die Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Fachambulanz , das Frauenhaus sowie punktuell Kindergärten und Schulen. Diese Kontakte pflege und erneuere man ständig gegen Lücken im Hilfenetz.

Opfer häuslicher Gewalt sind immer auch die Kinder, wenn sie Prügelattacken direkt in höchster Angst oder im Hintergrund erleben. Mit Auswirkungen, die die Eltern unterschätzen. „Sag’s weiter!“, heißt ein neues Konzept in Zusammenarbeit mit der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt in Gera. So kommt direkt nach dem Polizeieinsatz bei häuslicher Gewalt der Kinder- und Jugendschutzdienst hinzu, vermittelt gegebenenfalls Therapien und Hilfen durch das Jugendamt. Dieses Projekt wird zwei Jahre durch das Land Thüringen finanziert und soll beispielgebend im Freistaat werden. Zugenommen hat die Zahl der Scheidungskinder, die unter der „Hochstrittigkeit“ der Eltern leiden würden. Wenn die zerstrittenen Partner das Kind gegeneinander ausspielen und psychisch missbrauchen, arbeiten die Beraterinnen in zweigleisiger Zuständigkeit für Elternteil und Kind. Es sei bewegend, wenn sich Eltern bei ihrem Kind entschuldigen.

Das eigene Ich und fremder Zoff

Wie hält man das aus, ständig mit dramatischen Kinderschicksalen, fremdem Leid und Problemen konfrontiert zu sein? Kati Dutsch: „Es ist unser Schlupfwinkelteam, wo wir uns Rat und Hilfe geben, wo Vertrauen herrscht, das uns motiviert. Manchmal bedanken sich Eltern und Kinder, fallen uns um den Hals.“

Was wünschen sich die Vier vom Geraer Kinder- und Jugendschutzdienst? „In der schnelllebigen Zeit wird Kindern und Jugendlichen oft nicht zugehört, vieles nicht ernst genommen“, warnt Gisela Göldner und fordert: „Hört den Kindern besser zu!“

Kinder- und Jugendschutzdienst Gera, Lobensteiner Straße 49, 07549 Gera

Telefon: 0365/55 230 20

E-Mail: kjsd@schlupfwinkel-gera.de

Erreichbarkeit: Montag bis Freitag 9 bis 16 Uhr