Berga. Alle zwei Jahre kommen ehemalige Mitarbeiter der Altenburger Wollspinnerei in Berga zusammen und erinnern sich an die alte Zeit

Die Erinnerungen sind immer noch frisch, auch wenn die Zeit selbst Jahrzehnte zurückliegt: „Es war eine schöne Zeit, ohne Zweifel“, sagt Franz Bergner. Er ist einer der Hauptorganisatoren eines Treffens, zu dem alle zwei Jahre ehemalige Mitarbeiter des Bergaer Werks und des Greizer Ablegers der Altenburger Wollspinnerei (Alwo) zusammenkommen, um sich zu treffen und ihre Erinnerungen zu teilen.

In guten Zeiten hatte die Alwo beziehungsweise der VEB Zwirnerei und Färberei Berga, wie vorher der Name lautete, etwas über 300 Mitarbeiter. Heute ist davon nichts mehr übrig geblieben, denn nach dem Betriebsende am 31. Dezember 1991 wurden die ehemaligen Produktionshallen 1994 abgerissen. Heute befinden sich an ihrer Stelle, direkt gegenüber der Grund- und der Regelschule in Berga, ein Parkplatz und Einkaufsmöglichkeiten. Es falle einem schon schwer, dass außer Fotos gar nichts mehr da sei, was heute noch an die Alwo erinnere, die einmal ein so wichtiger Bestandteil im Leben vieler Bergaer war, sagt Peter Englert, der heute in Neumühle wohnt und sich im dort ansässigen Heimatverein der Historie der Region widmet. In den 90er-Jahren schaltete er das Licht im Bergaer Werk aus und hielt danach in Fotos fest, was aus seiner ehemaligen Arbeitsstätte wurde.

Es sei die Sehnsucht nach den ehemaligen Arbeitskollegen, die Alwo-Mitarbeiter immer wieder zusammenbringt, sagen sie. Viele von ihnen leben noch immer in der Region, andere inzwischen weiter weg. Ein Gast ist sogar aus Baden-Württemberg, „aus der Ravensburger Ecke“, wie er sagt, angereist, um am Treffen teilzunehmen. Und das ist kaum verwunderlich, denn es die Gemeinschaft, die als erstes genannt wird, fragt man die Anwesenden nach ihren Erinnerungen an die Alwo-Zeit. „Es war ein schöner Zusammenhalt, egal ob die Menschen jung oder alt waren. Und wie man sieht, ist das heute auch noch so“, meint Englert und zeigt auf die vielen Gäste, die sich im Pölscheneck versammelt haben. Er erinnert sich an Betriebsfeiern in der ehemaligen Stadthalle – inzwischen ist sie abgebrannt – , an die Kollegialität und die gegenseitige Hilfe: „Wenn jemand gebaut hat, haben alle mitgeholfen. Wir luden uns auch gegenseitig zu Familienfeiern ein“, denkt er gerne an die gemeinsamen Feiern und vielen Gespräche zurück. „Wir hatten einfach eine schöne Zeit“, sagt Englert und zählt gemeinsam mit den anderen Anwesenden nicht ohne Stolz auf, was die Firma bis zu ihrer Stilllegung alles erreichte: Die Handstrickgarne, die das Hauptprodukt waren, oder auch die Kunstseide, die man zu künstlichem Haar machte und bis nach Asien exportierte. Daneben wurden zum Beispiel Webzwirne für Hemden für die Armee hergestellt. Auch Kataloge, von Neckermann über Quelle bis ­Otto, wurden beliefert.

Die Altenburger Wollspinnerei wurde 1824 von Söhnen des Garnhändlers J.G. Schmidt junior gegründet. Berga kam zu DDR-Zeiten und nach der Enteignung 1948 dazu. In Greiz gab es eine kleine Zweigstelle des Werkes sechs. Unter dieser Ziffer firmierte der Betrieb nach der Eingliederung. Eine kleine Abteilung unterhielt die Alwo auch in der Bergaer Greika, die heute noch immer steht. In der sogenannten Kleinaufmachung wurden die Endprodukte der Handarbeitswaren eingepackt und versandfertig gemacht.

Direkt nach der politischen Wende beschloss die Treuhand, die Zweigstellen zu schließen. Damit ging, wie in anderen Orten der Region auch, eine jahrhundertealte Textiltradition zu Ende. Das Alwo-Hauptwerk in Kotteritz blieb von diesem Schicksal verschont, allerdings nur vorerst. Im Mai 2002 wurde auch hier der Betrieb eingestellt.