Greiz. Sommerpalais und Alte Theaterfabrik samt Theaterherbst sind Institutionen in Greiz. Dies erkennen auch Gäste von außerhalb

Offizielle Besuche oder Amtsantritte von Personen ­öffentlichen Interesses sehen allgemein ähnlich aus.

Der Politiker, Promi oder Wirtschaftsboss reist mit einer oder mehreren schwarzen ­Limousinen an, begleitet von Frauen und Männern im feinen Zwirn. Selbst ist sie oder er mindestens genau so schick gekleidet. Hemd mit Sakko oder Kleid sind normalerweise ein Muss. Dazu Krawatte, passender Haarschmuck, geputzte Schuhe und was dazugehört.

Der ganze Trott, bestehend aus Security, persönlichen Referenten, Beratern und einer Traube an Pressevertretern, wird vom Gastgeber in Empfang ­genommen. Ein Grußwort jagt das nächste, ein Dankeschön hier, ein Bitte sehr da. Die Journalisten stellen ihre Fragen. Wohlwollende werden direkt beantwortet, knifflige galant ­umschifft, oder es wird auf bereitliegende Pressemappen verwiesen. Ein kurzer Blick auf die Uhr, noch ein paar Fotos und schon setzt sich der kleine oder große Konvoi wieder in Bewegung.

Gelegenheit für lockere Gespräche nutzen

Um auf den Touren intensiver mit Personen vor Ort ins Gespräch zu kommen, handhabt es mancher allerdings auch anders. So Thüringens Kulturminister und Chef der Staatskanzlei Benjamin-Immanuel Hoff (Linke). Er nimmt das Wörtchen Tour durchaus wörtlich, bereist verschiedene Stationen im Freistaat und nutzt dazu weder Auto noch Flugzeug.

Auf dem Fahrrad – wohlbemerkt kein E-Bike – steuert er in Greiz das Sommerpalais an und trifft sich anschließend in der alten Papierfabrik mit Vereinsvertretern sowie Initiatoren des Greizer Theaterherbstes.

Stilecht in kurzer Hose, Funktionsshirt, Turnschuhen und Helm fährt der Minister am ­Palais vor. Solange wie es das Gepäck auf dem Rücken vermuten lässt, bleibt er jedoch nicht.

Dennoch lange genug, um sich von Direktorin Eva-Maria von Mariassy und Petra Hinreiner von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten etwas zum 250 Jahre alten Kunstgebäude erzählen zu lassen. Zum Beispiel zur Restauration der alten Holztreppe, die 1890 im Innenbereich des Palais konzipiert wurde. „Allerdings war damals nicht zu erahnen, wie viele Besucher hier täglich hoch- und runtergehen. Das ­Material ist ermüdet und muss erneuert werden“, sagt Petra Hinreiner. Mit der Fertigstellung wird 2019 gerechnet.

Für die Ausstellung skurriler Bilder und Objekte des Frankfurter Künstlers Frank Kunert nehmen sich die Beteiligten und der einzige Pressevertreter ebenfalls viel Zeit. In fast jedem Raum und Saal verweist die ­Direktorin auf Erneuerungen und Restaurationen, die im Laufe der Geschichte nach einschneidenden Ereignissen wie zuletzt der 2013er Hochwasserkatastrophe notwendig waren. Die wiederkehrende Hilfe der Bevölkerung sei beispiellos.

Festsaal, Bibliothek und die moderne Manga-Ausstellung sind weitere Stationen des ­lockeren Rundgangs. Die Gespräche wirken vertraut, kleine Spitzen wechseln sich mit gegenseitigem Respekt ab. „Wir sollten die Staatskanzlei saisonal hierher ausgliedern“, lautet der Vorschlag beim Fensterblick auf den Greizer Park. Die Stippvisite bei Bibliothekar Dirk Görsch endet mit einem Gedankenaustausch mit dem Minister, in welchem es um mögliche Unterstützung des Landes für künftige Aktionen geht. Projekt formulieren, Mitstreiter suchen und dann ans ­Ministerium schicken – es klingt alles ungewohnt unkompliziert. Dies solle es auch sein auf so einer Sommertour, in der alle Seiten von einer ungezwungenen Atmosphäre profitieren und neue Ideen einbringen sollen.

Visionen haben auch die Vereinsmitglieder und Pächter der alten Papierfabrik, die im Anschluss angeradelt wurde. Fördermittel benötige man erstmal keine, sagt Gründungsmitglied Tino Schmidt. Die letzten flossen in die Dachsanierung, die sich in der Endphase befindet. Andere Arbeiten versuche man in Eigenleistung zu realisieren.

Dennoch freuen sich alle über den Besuch von Vertretern des Ministeriums. Es sei eine Wertschätzung für die getane Arbeit, eine gute Reputation. Dem folgte direkt die Einladung zum Festival „Open Kuga 2019“. Kuga ist die Abkürzung für Kulturgarage, dem Veranstaltungsort im historischen Gebäude.

Papierfabrik und Greizer Theaterherbst – die Erfolgsgeschichte soll auch dieses Jahr weitergeschrieben werden. Gleich zwei Gastspiele, ­darunter die Eröffnung am 13. September, werden hier auf dem ­Gelände durchgeführt.

Unter dem Motto „30 Jahre Wende als Raum für Wünsche“ wollen die Initiatoren an verschiedenen Spielstätten Zuschauer in ihren künstlerischen Bann ziehen.

Werkstätten für Kinder, Zirkusprojekte oder Straßenfest samt Improvisationstheater – man wolle rausgehen und die Leute erreichen, nicht umgekehrt.

Als Schirmherr ist der Minister in Radlerhose, der in seiner Jugend selbst gern Partys in alten Berliner Kellern genoss, auch 2019 ­aktiv. Als „diskreten Charme der Peripherie“ ­bezeichnet er es.

Obwohl bereits mit reichlich Gepäck ausgestattet, schnürt er aus Greiz weitere Anregungen auf seinen Rucksack, bevor es zurück nach Erfurt in die Kanzlei geht – trotz dunkler Gewitterwolken erneut via Rad.